Ich blieb wie erstarrt im Stuhl sitzen. Weniger, weil ich mit einem Silberdolch bedroht wurde, sondern vielmehr, weil es Ciarán war, der dies tat. Warum… hatte ich… war ich blind gewesen? Zu naiv? Brauchte er Geld? Oder wollte er meinen Vater sogar erpressen? Ich warf einen flĂĽchtigen Blick auf meinen Vater. Er war die Ruhe in Person und wirkte keineswegs beeindruckt oder ĂĽberrascht von der Situation.
„Was willst du, du dummer Junge? Hat es dir nicht gereicht, meine Tochter ins Bett zu bekommen? Hätte ich dich dafĂĽr bestrafen sollen?“ brummte er mit lauter Stimme. Ein Teil von mir versank wieder in Scham – dass mein Vater so etwas vor allen Anwesenden laut aussprechen musste. Ciarán schnaufte hörbar. ,,Tu nicht so, alter Mann. Du wusstest doch genau, was hier passieren wĂĽrde – das sieht man dir an.“ Kurz sah ich, wie er ElĂsabet einen raschen Blick zuwarf.
„Es geht nicht darum, was ich will. Ich bin hier, um deine Tochter mitzunehmen. Jemand auf dem alten Kontinent hätte sie gern wieder zurück.“, rief er meinem Vater entgegen. Ich horchte auf. Soweit ich wusste, hatten wir weder Bekannte noch Verwandte auf dem alten Kontinent.
Hatte mein Vater vielleicht einen Lord von dort verärgert, und nun wollte dieser mich als Braut? „Ich denke nicht. Und sie sollte auch wissen, dass sie Moira nicht bekommt. Mir war klar, dass sie noch immer verrĂĽckt ist… aber dass sie auf solche Tricks zurĂĽckgreifen muss? Jämmerlich. Und du wagst es auch noch, diesen dummen Plan durchzuziehen.“ Mein Vater schĂĽttelte den Kopf – heftiger als gewöhnlich. Ich erkannte das Zeichen sofort. In meiner Jugend hatte er mich täglich trainiert. Sein Training war hart und unerbittlich. Daher machte mir Silber auch nichts mehr aus. Ich wusste, was das bedeutete. Keine Sekunde zu frĂĽh packte ich Ciaráns Arm, zog ihn nach vorn, sodass er gegen die Stuhllehne prallte und kurz abgelenkt war. Ich nutzte den Moment, schlug ihm mit einer flieĂźenden Bewegung ins Gesicht und brachte ihn mit einer gekonnten Drehung zu Fall. Sobald er am Boden lag, kniete ich mein Schienbein in seinen RĂĽcken und hielt seine Arme zusammen. Ich löste mein Haarband und verschnĂĽrte ihm damit provisorisch die Hände. Vom Adrenalin berauscht stand ich keuchend auf und stellte fest, dass mein Vater SĂ©amus mit einer Leichtigkeit ausgeschaltet hatte. Er war nicht einmal auĂźer Atem. Ein paar Minuten später stĂĽrmten die Wachen in den Speisesaal. „Nehmt die beiden mit und werft sie in Ketten in den Keller! Ich will, dass sich keiner von ihnen rĂĽhren kann. Verbindet ihnen Augen und Ohren. Bis ich neue Befehle gebe, hat niemand Zutritt!“, raunte mein Vater wĂĽtend. Die Wachen zuckten merklich zusammen und packten SĂ©amus und Ciarán, um sie aus dem Saal zu bringen. Fahrig fuhr mein Vater sich ĂĽber das Gesicht und ging auf ElĂsabet zu. ,,Du hättest ruhig etwas machen können, anstatt hier am Kamin zu stehen.“, fuhr er sie an. „Ihr beide hattet es doch unter Kontrolle. AuĂźerdem…war das kein Teil unserer Abmachung.“, entgegnete sie ruhig. Aufgebracht warf mein Vater seine Hände in die Luft. In diesem Moment kam eine weitere Wache verspätet in den Saal. „Legt ihr die Kalksteinketten an und bringt sie in mein BĂĽro.“ Ich hatte immer noch keine Ahnung, was hier gerade passiert war. Aber ElĂsabet wurde vor meinen Augen abgefĂĽhrt.
© Schneeflocke_Mare 2025-09-03