Karneval der Kulturen

Dimitri Gröpler

von Dimitri Gröpler

Story

Zwei meiner Kumpels saßen auf jeweils einem Schornstein des Altbaudaches und kackten hinein. Ich genoss die frische Nachtluft, die eigentlich nicht frisch war, sondern nur den Eindruck vermittelte frisch zu sein. KĂŒhle Luft wirkt immer frisch, auch wenn sie mit dem Geruch von Abgasen und Essensresten versetzt ist. Das ist in Ordnung fĂŒr mich, denn am Ende ist es doch nur die Wirkung, die wirkt und frische Luft ist genau das, was ich gerade brauchte.

Eine halbe Stunde vorher tanzten wir noch auf einem Teppich in einer der Wohnungen des Hauses, auf dessen Dach wir nun standen, oder saßen und kackten. Ich stand und atmete. Mein Blick strich ĂŒber das nĂ€chtliche Berlin und ich dachte an die letzten Stunden.

Bevor wir die Wohnung betraten entdeckten wir Kalksteinplatten, die im Hausflur an die Wand gelehnt waren und keinem offenbaren Zweck dienten. Ich kam auf die Idee, eine der Steinplatten mitzunehmen und damit eine kampfsportartige Performance hinzulegen. So stand ich also inmitten dieser Wohnung, Schauplatz einer Party, dessen Gastgeber mir unbekannt waren, umgeben von tanzenden Körpern, die mit ihren FĂŒĂŸen den Teppich massierten und hielt die Platte mit beiden HĂ€nden fest, die Arme weit von mir gestreckt. In der Manier eines Shaolin-Mönchs, schlug mein Kumpel mit der Faust auf die Platte und zertrĂŒmmerte sie in zwei Teile. Niemand der Umhertanzenden interessierte sich fĂŒr uns, worĂŒber ich schon kurz danach sehr froh war.

Die Musik gefiel mir. Es schien genau die Art von Musik zu sein, die ich in Zukunft hören wollte. Auf eine sichere Ausstrahlung bedacht, tanzte ich mich zum Laptop herĂŒber, auf dem die Playlist leuchtete und bildete mir ein, die Namen der Songs in meinem GedĂ€chtnis speichern zu können. Mir war bereits in diesem Moment völlig unklar, weshalb ich diesem Irrglauben immer wieder erlag. In diesem Falle ging es schlicht um Musiktitel, doch in anderen Momenten waren es Ideen, die mir, beim ekstatischen Tanzen in akustisches Getöse gehĂŒllt, kamen und von denen ich annahm, dass sie die besten seien, die ich jemals hatte. Erinnern kann ich mich daran nicht.

Die beiden waren mittlerweile vom Schornstein geklettert und balancierten ĂŒber Bretter, wofĂŒr ich keinen Mut aufbrachte. Es war weniger die Angst, sondern eher eine Bedachtheit, die mich in derartigen Höhen zu ergreifen vermochte und eine Ruhe in meinen Körper goss, die ich sonst nirgends finden konnte. Die gerade noch wild zuckende Chaosfantasie umarmte mich innig und band ihre FĂ€den stĂŒtzend um meine Fußgelenke.

Wir ließen das Dach ruhen, entstiegen dem Altbau und stolperten auf die Straße hinaus. In dieser Nacht begegnete uns niemand, der Baumaterialien vermisste oder sich ĂŒber einen schlecht funktionierenden Kamin beschwerte.

© Dimitri Gröpler 2021-04-16

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