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Principessa

von Principessa

Story

Mit meiner 30-jährigen Stirn in Falten gelegt kreuze ich missmutig das Kästchen für die Sparte 30 bis 35 Jahre an und kann es immer noch nicht fassen, dass ich mittlerweile in die nächste Kategorie abgedriftet bin. Eine neue Ära beginnt, haha.

Nachdem ich den Gram über mein Alter runtergeschluckt habe (ich bin so alt wie ich mich fühle, jawohl), muss ich mich auch schon der nächsten Frage ergeben, das nächste Kreuzverhör lauert.

„Chaotisch oder strukturiert. Wie schätzen Sie sich eher ein (Skala von 1-5)?“

Wieder wähle ich eines dieser gemeinen Kästchen aus, nur um seine Existenz dann gnadenlos mit einem stahlharten Kreuz zunichte zu machen. Heute sehe ich mich mal totaaal strukturiert, yes! Trotz der 30 Jahre, der Falten auf der Stirn und der Tatsache, dass ich auf Jobsuche bin. Egal.

Dann geht es weiter. „Ein neue Runde, eine neue Wahnsinnsfahrt“, so würde man es in der Werbung ankündigen. In dem Fall ist es eine wilde Jagd durch den Dschungel jener bedeutungsvollen Fragen, die eigentlich als vom Aussterben bedroht gelten: Von Religion über Schwangerschaft bis hin zu einer möglichen Nikotinabhängigkeit ist alles dabei.

WOW, man will mich hier endlich mal richtig kennenlernen, den Menschen „Principessa“, voll und ganz!

Was wohl passiert, wenn ich schwanger und rauchen abhake? Ich lache insgeheim in mich hinein, traue mich dann aber nicht, handelt es sich doch um einen Traumjob, dem ich mich mit Haut, Haar, Seele und allem, was sonst noch übrig ist, verschreiben möchte.

Eine gefühlte Ewigkeit später kommt schließlich die Person wieder, die heute über mich entscheidet. Die meine „nicht Beruf, sondern Berufung“, meinen Sinne des Lebens, der mich von 9 to 5, oder natürlich gerne auch bis 6, 7, 8,… vollkommen ausfüllt, in ihren Händen hält.

Sie scannt meinen Bewerbungsbogen mit ihren scharfen Adleraugen und stellt dann die Frage aller Fragen: „Welches Gehalt würden Sie sich denn als neue Marketingdame bei uns vorstellen?“

Ausreden lässt sie mich nicht. Vielleicht, weil die Frage von mir ohnehin auf dem ominösen Bogen schon beantwortet wurde. Vielleicht, weil selbst sie aufgrund der verstaubten Berufsbezeichnung „Marketingdame“ kurz schlucken muss (auf der Skala wohl Box 1 = trifft nicht zu).

Nach dem üblichen Ausblick auf mein 5 Jahre älteres Ich (Oh Gott noch älter, noch eine Checkbox weiter, Hilfe!!), ist der Termin dann auch schon wieder Geschichte. Wohl eher keine, die es in die Schulbücher unserer Zeit schaffen wird.

Vielen Dank „corporate world“ fürs Interesse!

Ich hoffe, Sie bald nicht mehr bei einem persönlichen Gespräch von meinen Fähigkeiten überzeugen zu müssen.

Denn ich träume lieber auf meine Art und Weise weiter.

Das gibt es nicht in einer Box zum Abhaken, da ist wohl eher „thinking outside the box“ gefragt – und das trifft voll und ganz zu!

© Principessa 2020-09-18

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