von Libero
In der Story „mein erstes Wort: Auto“ erzähle ich von einem Leben mit Autos und wie ich das Taxifahren in Wien erlebe. Dieser Text findet den meisten Anklang. Wahrscheinlich, weil das meine persönlichste Story ist und sie einen guten Einblick in einen Bereich meines Lebens gewährt, der mit Leidenschaft erfüllt ist.
Leider kann ich das jetzt nicht mehr ausleben, weil mein Chef bald nach dem Corona-Lockdown das Taxigeschäft an den Nagel hing. Seit Mitte März bin ich deshalb in Kurzarbeit. Er meint, er hätte noch kein Geld vom AMS für mich erhalten und will das somit vorgestreckte Gehalt wohl produktiver eingesetzt sehen. Gestern erzählte er mir von seinen neuen Projekt-Ideen, die ich für ihn umsetzen solle. Dabei geht es z.B. um die Wiederaufnahme eines Bikesharing-Projektes, weil die Asia-Räder abgezogen und fast keine E-Scooter mehr in Wien unterwegs sind. Ich soll Investoren und Partner für die Umsetzung einer öffentlichen Fahrradflotte finden. Oder ich könnte ein altes Forschungsprojekt zur Optimierung von Akkus wieder aufgreifen und öffentliche Fördergelder für die Realisierung lukrieren. Auch die Abwicklung von Aufträgen und Versicherungsfällen für seine Kfz-Werkstatt schlug er mir vor.
Am liebsten würde ich aber neben dem Mobilitätsforschungsprojekt, das ich ohnehin für ihn gemeinsam mit der TU umsetze, einfach nur zwei Mal pro Woche in der Nacht Taxi fahren.
Er meint, das wäre eine Vergeudung meiner Talente und Fähigkeiten. Ich zitiere nun aus der Nachricht, die ich ihm gestern daraufhin geschrieben habe: „Für mich gilt der Spruch: von innen sieht ein Hamsterrad aus wie eine Karriereleiter. Ich hab weder Ambitionen groß Karriere zu machen, noch viel Geld zu verdienen. Diese Zeiten sind vorbei. Dafür hab ich meine Ruhe. Ich war grad mitten unter der Woche tagsüber beim Wienerbergsee joggen. Diese Freiheit zählt für mich viel mehr als Karriere und Geld. Also wenn du ein Funk-Taxi für mich hast, fahre ich gern wieder.“
Wir leben in einer ToDo-getriebenen Gesellschaft, die uns permanent fordert. Die eigentliche Herausforderung ist deshalb, vom Tun ins Sein zu kommen, mehr der eigenen Intuition zu folgen und dadurch bewusster zu leben. Sonst kommen wir am Ende noch drauf, dass wir vergessen haben das Leben zu leben – in all seiner Vielfalt mit den vielen schönen Momenten voller Geschenke, die einfach da sind, sobald man sie erkennt. Ermöglicht nicht erst der Mut zur Lücke, dass etwas Neues ins Leben tritt und nicht ein vollgestopfter Kalender?
Und ja, das Leben läuft nicht konstant ab, mal geht es rauf und mal runter. Jedes Ende ist schwanger mit einem Anfang. Alles geschieht in Wellen, so wie die Rose in voller Blüte steht, um kurz darauf zu verwelken und zu sterben. Der Kreislauf des Lebens wird auch von Gegensätzen bestimmt. Es gibt Phasen, in denen wir mehr im Außen sind und dann wiederum sowas wie Lockdowns, in denen es ratsam ist, zur Ruhe zu kommen, nach Innen zu gehen und z.B. Stories zu schreiben. :)
© Libero 2020-06-05