Karussell der GefĂŒhle

Vivian Neusser

von Vivian Neusser

Story
Deutschland

Ich wusste nie was mit mir los war. Ich dachte immer, das wĂ€re normal in meinem Alter oder das vergeht wieder. Doch es ist nie vergangen und ob es normal ist weiß ich bis heute nicht.

Borderline. Dieses Wort habe ich oft gehört, ob im Zusammenhang mit Depressionen oder nicht. Jedoch wusste ich nie was es bedeutet. Nicht bis eine Therapeutin diesen einen Satz aussprach.

„Sie haben eine Borderline-Persönlichkeitsstörung“

Aber fangen wir mal am Anfang an. Es hat angefangen als ich in der vierten Klasse ADHS diagnostiziert bekommen habe. Ich habe Tabletten bekommen, doch hieß es immer „Wir erhöhen die Dosis“ oder „Wir verringern die Dosis“ wenn etwas nicht so lief wie meine Ärztin es wollte. Ich war nicht dieselbe mit diesen Tabletten. Ich wurde ruhiger, zog mich immer mehr zurĂŒck, aß nichts mehr und wurde immer trauriger. Es lief so lange so bis ich nach ungefĂ€hr drei Jahren anfing nach Hilfe zu rufen. Jedoch sprach ich diese Hilferufe nicht aus, ich zeigte sie auf meiner Haut. Ich fing mit Selbstverletzung an. Ich rĂ€umte mein Zimmer nicht mehr auf. Ich tat vieles, doch merkte niemand wie ich innerlich kaputt ging. Freunde hatte ich nicht viele, vielleicht ein oder zwei. Also suchte ich jemand dem ich mich anvertrauen konnte, bis ich an die falschen Menschen geriet. Diese Menschen zeigten mir wie Alkohol und Drogen die Sicht auf das Leben verĂ€nderten. Doch sagten sie nie wie schlimm diese Dinge waren, wie schlimm diese Menschen selbst waren. Sie machten mich zu einer Person, die nicht nachhause ging, NĂ€chte lang weg war, tĂ€glich Rauschmittel konsumierte und immer weiter kaputt ging. Ich lebte dieses Leben bis meine Mutter den Schlussstrich zog. Ich kam als Notfall in eine Wohngruppe. Sechs Wochen, in den jeder dachte, es wird besser, obwohl meine Haut mit Schnitten ĂŒbersĂ€t war. Oft lief ich nachts ans BĂŒro der Erzieher um nach Hilfe oder VerbĂ€nden zu fragen. Nachts weinte ich und tagsĂŒber war ich der glĂŒcklichste Mensch. So lief es doch, oder? Zeige niemals GefĂŒhle oder sie können gegen dich verwendet werden.

Ich wurde nachhause gelassen, doch lief es nicht besser. Ich fand zwar neue Freunde, doch konsumierten sie Gras wodurch ich auch anfing. TĂ€glich kam ich bekifft nachhause oder schlief bei eben diesen Freunden. Ob das fĂŒr meine psychische Gesundheit gut war? Wahrscheinlich nicht, doch fĂŒhlte ich mich in diesem Zustand frei und dachte nicht ĂŒber die Dinge nach die mich verletzten. Über meine Probleme reden tat ich trotz allem nicht. Ich lebte lange so, ging zu verschiedenen Therapeuten, bei denen ich nicht redete und verstand mich immer schlechter mit meiner Mutter. So lief es dann Jahrelang. Ich fand immer mal wieder neue Freunde, verliebte mich ein paar mal, doch hielt alles nie lange. Mit meiner Sozialarbeiterin kam ich nach ein paar Jahren auf den Entschluss, dass ich einige Baustellen hatte. Es war von allem etwas dabei: VerlustĂ€ngste, BindungsĂ€ngste und Vertrauensprobleme. Hatte jeder, doch waren sie bei jedem verschieden ausgeprĂ€gt.


© Vivian Neusser 2024-06-25

Genres
Lebenshilfe
Stimmung
Herausfordernd, Emotional