Kastalia, Sinnbild für frauenfeindliche Uni

Heidemarie Brezina

von Heidemarie Brezina

Story
Wien Universität 1. Bezirk 1884 – 2024

Der Innenhof der Universität Wien mit den Arkaden hatte in meiner Studienzeit im Jahre 2000 etwas Feierliches, hier stehen die Büsten und hängen die Gedenktafeln berühmter Wissenschaftler und man glaubt die Weisheit und den Geist der Wissenschaft zu spüren. Es ist sehr ruhig, der Lärm der Ringstraße dringt nicht nach drinnen. Bäume spenden Schatten, es gab Blumenbeete und Sträucher, die im Jahresverlauf blühten. Es war mir damals gar nicht bewusst, dass es keine Gedenkstätten für klugen Frauen in den Arkaden gibt. Gab es doch eine sitzende weibliche Figur in der Mitte des Platzes auf einem Sockel, die für mich die Frauen repräsentierte, aber nur, bis ich mich damit beschäftigte. Als die Universität Wien, die Alma mater Rudolphina, 1884 eröffnet wurde, sollten im Arkadenhof männliche Denkmäler errichtet werden, für Frauen waren keine geplant. In der Mitte war ein Reiterstandbild für den Stifter der Universität, Herzog Rudolf IV, vorgesehen. Doch das war zu teuer. Also entschieden sich honorige Männer für Kastalia, eine Figur der griechischen Mythologie. Sie war als zentraler Punkt gedacht, der das Wissen der Fakultäten als Quelle der Weisheit symbolisiert und den Ort zu einer Begegnung der Ehrfurcht macht und somit die Weisheit der Männer unterstreicht. Aber Frauen waren nicht vorgesehen in der patriachalen Wissenschaftswelt. Um 1900 waren die Frauen noch unmündig, sie durften nichts lernen und kein Land besitzen. Die wenigen, die es schafften, mussten getrennt von den Männern die Vorlesung besuchen. Als Kastalia 1910 in die Mitte des Hofes gestellt wurde, waren bereits 70 Köpfe von Gelehrten in den Arkaden platziert, aber erst 1925 gab es eine Gedenktafel für die Dichterin Marie von Ebner-Eschenbach, die das Ehrendoktorat für Philosophie erhielt. Der Platz der Kastalia war so gewählt, dass das Denkmal einen Lüfungsschacht dahinter verdecken sollte. Gäbe es so eine Überlegung bei einem Männerdenkmal? Auch die vorgesehene Wasserversorgung an dem Denkmal wurde nie aktiviert. In der nationalsozialistischen Zeit mussten 18 Denkmäler von jüdischen Gelehrten in den Keller gebracht werden, weil sie von nationalsozialistischen Studenten beschmiert und umgeworfen wurden. Kastalia ist nichts passiert. Sie ist jugendlich dargestellt und sitzt mit geschlossenen Augen als würde sie träumen (Inschrift am Sockel). 2009 würdigte die Künstlerin Iris Andraschek mit der Installation „Der Muse reichts“ die abwesenden Frauen mit einem schwarzen Schatten (170m2) aus Granit. Ein Schriftzug macht das deutlich „AUS DEM SCHATTEN TRETEN DIE, DIE KEINEN NAMEN HABEN.“ Es ist aber nicht der Schatten von Kastalia, sondern Mitarbeiterinnen der Universität stellten sich für diesen Moment mit geballter Faust zusammen und bringen zum Ausdruck wie Frauen hier im Schatten der geehrten Wissenschaftler stehen. 2016, anlässlich des 650 Jahre Jubiläums der Universität ehrte man sieben verdiente Wissenschaftlerinnen mit individuellen Denkmälern, die man sich ansehen sollte. Es sind dies Charlotte Bühler, Maria Jahoda, Elise Richter, Berta Karlik, Lise Meitner, Grete Mostny-Glaser, Olga Taussky-Todd. Die sieben Wissenschaftlerinnen sehen noch frisch aus, während die Männerbüsten von Staub überzogen sind.

© Heidemarie Brezina 2024-02-20

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Informativ, Unbeschwert, Reflektierend
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