Eine unserer Entdeckungsreisen auf uns unbekannte griechische Inseln führte uns 2016 auf Kefalonia – von mir danach als die „grüne Insel“ bezeichnet. Tatsächlich schimmerte das Meer dort grünlich; die Bäume der ausgedehnten Kiefernwälder hoben sich in ihrem kräftigen Grün vom leuchtend blauen Himmel ab.
Unser Hotel war an einem kleinen Sandstrand unweit der Hauptstadt Argostoli gelegen. Wir badeten und schnorchelten, gleich nach dem Aufstehen, wie wir das auf unseren Reisen ans Meer zu tun pflegen. Am ersten Tag spazierten wir nach dem Frühstück nach Argostoli – eine wenig spektakuläre, von der Bausubstanz her eher hässliche Stadt, deren historische Gebäude dem großen Erdbeben von 1953 zum Opfer gefallen sind. In meinem Reiseführer hatte ich gelesen, dass dort, vormittags, im Hafenbecken Meeresschildkröten zu beobachten seien: Und, tatsächlich, wir sahen einige, an jenem Morgen. Ab diesem Moment war es um mich geschehen, ich wollte am liebsten an jedem unserer Urlaubstage die Schildkröten sehen und wir machten dies dann auch. Speisten, beispielsweise, einige Male in einem direkt am Hafenbecken gelegenen Restaurant, in dem die Schildkröten bis an den an der Beckenkante platzierten Tisch heranschwammen; man sie also während des Essens beobachten konnte. Mich faszinierte, wie diese großen, an Land sehr plumpen und schwerfälligen Tiere unter Wasser schwammen; fast zu schweben schienen, schwerelos. Immer wieder tauchte die eine oder andere Schildkröte auf, um Luft zu holen: Da und dort wurden die kleinen Köpfe über den Wellen sichtbar. An einem dieser Urlaubstage fanden wir im Hotel einen Zettel angeschlagen; auf dem hieß es, dass gegen Abend dieses Tages eine Nestinventur in einem der Nester, die sich ganz hinten am Strand befanden, stattfinden würde; dass interessierte Gäste gerne dieser beiwohnen könnten. Bislang hatte ich die durch Holzpfähle markierten und eingezäunten Nester noch gar nicht als solche bemerkt. Wie aufregend und schön war es, dass wir uns an einem Schildkrötenstrand befanden! Um 18 Uhr hatte sich am Strand eine kleine Menschenmenge versammelt. Die MitarbeiterInnen der Tierschutzorganisation legten rasch das Nest frei, und Begeisterung machte sich breit: Zwei sehr kleine Tiere krabbelten aus dem Sand, machten sich auf ihren Weg zum Meer. Angefeuert wurden sie von uns allen. Sie hatten es wahrlich nicht leicht, haxelten über für sie riesige Sandhügel, purzelten und suchten sich einen Weg. Und dann waren sie endlich am Meer. Wurden von einer Welle erfasst, wieder zurückgespült, und wieder und wieder. Die eine war offenbar noch schwach; sie wurde von einer Tierschützerin behutsam zurückgetragen und nochmals für einige Zeit im Sand eingegraben. Die andere war draußen: so klein und so verletzlich …
Wir alle wünschten ihr, dass sie am Leben blieb und einst zurückkommen und genau an diesem Strand ihre Eier ablegen würde.
© Roswitha Springschitz 2022-05-10