von Susanne Rohrer
Persönliche Aufzeichnung der Erkundungseinheit 7739 zum Zweck der spÀteren Selbstreflexion.
Tag 174 der Beobachtung
Obwohl ich nun bereits seit beinah einem halben Erdenzyklus in der Ansiedlung mit der Bezeichnung Westbrook stationiert bin, kann ich immer noch keinen wesentlichen Sinn darin erkennen. WĂ€hrend andere Mitglieder meines Kaders an wissenschaftlich interessanten Punkten ihre Beobachtungen machen, scheint es fast so als habe sich mein kommandierender Offizier Ra’She dazu entschieden die Hoffnungen meiner Eltern zunichte zu machen, ich könne je meinem Namen gerecht werden! Kei’la, ein traditionsreicher Name und mit Stolz und Erwartungen an mich gegeben, allerdings stellte ich mir schon oft die Frage was ein Wesen bewegt den Nachwuchs gerade âEntdeckung des Unbekanntenâ zu nennen. Aber ich schweife ab.
Die Unterbringung an diesem Ort empfinde ich, wie die meisten anderen, die in fĂŒr unsere Begriffe lĂ€ndlichen Gebieten agieren, als Ă€uĂerst einfach und doch ist mir bewusst, dass auf einem Planeten dieser Entwicklungsstufe die fĂŒr unsere Spezies alltĂ€glichen Annehmlichkeiten in den Bereich der Unmöglichkeit fallen. Zwar war es eine logische Wahl eine als âGasthausâ bezeichnete LokalitĂ€t etwas auĂerhalb der ohnehin nur spĂ€rlich besiedelten StadtflĂ€che als meinen Unterbringungsort zu wĂ€hlen, doch empfinde ich dies manchmal als recht nahe an den Beobachtungsobjekten!
Wenn es auch den Einheimischen seltsam erscheinen mag, dass sich eine nicht-ortsansĂ€ssige Person, ein Tourist, wie sie es nennen, an einen Ort wie diesen verirren könnte, so ist doch dafĂŒr gesorgt, dass ich in Ruhe meiner Forschung nachgehen kann, auch wenn der Wirt jeden Tag nach Sonnenaufgang darauf wartet, dass ich eine kleine Menge NĂ€hrstoffe in seiner und der Gegenwart seines Weibchens konsumiere. Er nennt dies âFrĂŒhstĂŒckâ.
Mag sein, dass hierbei der Forschergeist aus mir spricht, doch halte ich es fĂŒr möglich, dass sich meine und unser aller Erkenntnis was die Menschen betrifft durch diesen Umstand der NĂ€he letztendlich vielleicht sogar als intensiver und aufschlussreicher gestalten wird, wenn wir auch manche ihrer Lebensgewohnheit am eigenen Leib erfahren.
Dass diese Ăberlegung bei meinen Vorgesetzten gerade einmal auf Stirnrunzeln, wenn nicht sogar auf Ablehnung stoĂen wĂŒrde, ist mir klar. Daher werde ich es weder meinen VorschlĂ€gen, noch meinem offiziellen Bericht hinzufĂŒgen, sondern es nur hier, in meinen privaten Aufzeichnungen belassen, die mir nach der RĂŒckkehr in die Heimat dazu dienen sollen, durch geordnetes Durchgehen meiner Beobachtungen zu einem besseren Selbst zu finden.
© Susanne Rohrer 2021-06-06