Kein Eishotel bei -66 Grad

LucianX

von LucianX

Story

Lappland. Rentiere. Eishotel. Die meisten kennen Jukkasjärvi aus den unzähligen TV-Dokus oder von Traveller Blogs. Hinfahren lohnt sich. Nur nicht für mich. Denn ich bekomme leider keinen Cent für die Werbung. Trotzdem ist es wirklich cool, mitten im Winter Lappland zu erkunden. Kurzer Stopp in Stockholm und ab nach Kiruna jenseits des Polarkreises. Ein Blick auf das Kältometer: -21°C. Ja, wir waren richtig. Der Pilot hat sich nicht verflogen. Dann ein kurzer Saunabesuch im besten Hotel der Eisenerzsiedlung. Dank meines schlechten Schwedischs erfreute mich am Eingang zum Wellnessbereich das Schild: ‘Glömde du din öl? Inga problem. Köp den i receptionen!’ – auf Deutsch: nix Bier, nix Sauna. Zum Glück war ich schon Profi und betrat die finstere Sauna mit zwei Dosen Starköl. Das Zischen von Bierdosen beruhigte mich und sagte mir, dass ich nicht alleine war. Ich versuchte kein Zuprosten. Ich bin schon mal eingefahren. Ja. Ein Schwede redet selten in der Sauna, ein Finne gar nicht. Da fiel mir der Witz eines Schweden ein: Zwei Finnen betreten die Sauna, beide mit Bier bewaffnet und öffnen es. Nach einer Weile sagt der eine: Kippis, also Prost. Der andere schaut schockiert. Nach einer halben Stunde sagt er: Sind wir hier zum Trinken oder zum Reden?

Das Schöne an Vorurteilen ist: Sie stimmen auch. Nachdem ich einige Freunde in Skandinavien habe, dauerte es nicht einmal 19 Jahre, um das zu verstehen. Aber jetzt weiß ich, warum es so ist und ich schätze es sehr.

Am nächsten Tag ging es zum Snowmobilfahren nach Jukkasjärvi. Ich werde nie vergessen, wie sich das Kältometer im Auto nach jedem Kilometer um ein Grad nach unten schaukelte. Es war wie ein zusätzlicher Kilometerzähler. Angefangen bei minus 16 Grad erreichten wir das Blockhaus bei genau minus 33 Grad. Es war Winter. Keine Mitternachtssonne. Nicht einmal irgendein Sonnenstrahl, denn die Sonne versteckt sich den ganzen Tag unter dem Horizont. Los ging es mit dem Snowmobil. Errechneter Windchill von -66°C bei 90 km/h! Ich Idiot! Bei der ersten Fahrt machte ich noch den Fehler, die Skibrille vor dem Losfahren aufzusetzen. Keine gute Idee. Ein einziger Atemstoß verwandelte das Innere der Brille in Eis. Null Sicht. Beim zweiten Run war ich schlauer. Erst mit dem Fahrtwind nach dem Losfahren aufsetzen und … tataaa: Sicht!

Hätte ich damals gewusst, dass wir auf einem Fluss unterwegs waren, wäre mir anders geworden. Selbst bei Extremtemperaturen ist ein Fluss nie vollständig gefroren. Die perfide Strömung ist schuld. Mehrere Passagen meisterte ich nur mit Vollgas, sonst wäre ich eingebrochen. Dann Vollcrash in eine plötzlich auftauchende Schneewehe. Jetzt sollte mein Rücken erfahren, dass ein Snowmobil 400kg wiegt. Es war olympisches Gewichtheben bei -33°C. Aber besser kurz sterben, als lange erfrieren. Der verzweifelte Suchtrupp vom Veranstalter fand mich dann mitten im Wald vor dem Blockhaus in völliger Dunkelheit. Es stand ja auch im Prospekt: Abenteuer Snowmobilfahren.

© LucianX 2021-02-24

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