von Johanna Hardt
„Auf Reisen verändert man sich“, hört man oft von Reisebloggern. Es wird davon gesprochen, zu sich selbst zu finden, im Einklang mit Geist und Körper zu sein und zu wissen, wo man im Leben hinmöchte. Aber das passiert nicht einfach so, zumindest bei mir nicht.
Selbstfindung, was ist damit ĂĽberhaupt gemeint? Ich bin doch schon ich selbst. Bedeutet Selbstfindung, dass man die Jahre zuvor verstellt war?
Oder geht es hauptsächlich darum, sich zu kennen, zu akzeptieren und zu wissen, was einem gut tut?
Ich will in kein Retreat, ich will nicht meditieren und ich will kein Yoga machen und das ist vollkommen okay! In Social Media gibt es verschiedene kleine Blasen, innerhalb der großen Reiseblase. Die eine Blase beschäftigt sich mit Fotografie, die andere Blase will Reisende von Network-Marketing überzeugen und wieder andere beschäftigen sich mit Themen wie Nachhaltigkeit, Veganismus, Gesundheit oder Selbstfindung. Wenn man erst einmal auf einen dieser Kreise stößt, werden immer wieder ähnliche Inhalte vorgeschlagen.
Da stell ich mir durchaus die Frage, ob ich auf die Suche nach mir selbst gehen muss.
Wenn ich mich gerne mit mir, meinen Bedürfnissen oder meiner Zukunft auseinandersetzen möchte, dann kann ich das machen, doch momentan habe ich diesen Wunsch nicht. Mein Wunsch ist noch immer das Reisen an sich. Ich möchte nicht in die Ferne fliegen, um dort zu meditieren. Ich möchte in die Ferne fliegen, um unter Palmen spazieren zu gehen, neue Gerichte auszuprobieren, um Tempel besichtigen und den Dschungel erkunden zu können. Es begeistert mich, neue Aktivitäten auszuprobieren, in Kulturen einzutauchen und Gleichgesinnte kennenzulernen. Ich erlebe das Gefühl von Freiheit und die Sehnsucht nach Zuhause. Ich will mein Leben spüren und Erinnerungen sammeln, die für immer bleiben.
Das ist es, was ich mir vom Reisen erwarte. Ich Reise um des Reisens willen. Später bin ich wahrscheinlich noch immer nicht im Einklang. Aber ich werde vor meinen unzähligen Bildern sitzen und an die wunderschöne Zeit denken. Ich werde mich daran erinnern, wie wir Weihnachten am Mount Fuji verbrachten und ein paar Tage später Silvester in Tokio feierten. Ich werde mit einem Lächeln daran zurückdenken, wie wir sämtliche Spieleautomaten austesteten und werde es nicht bereuen, einen wirklich teuren Ramen und Crispy Gyoza Kochkurs gemacht haben.
Unsere Reise dauert nur noch 2,5 Monate, sie ist also schon fast vorbei und doch hat sich seither kaum was verändert. Die Veränderung passiert nicht einfach, man wird nicht plötzlich ein anderer Mensch. Um sich mit seinem Inneren auseinanderzusetzen, braucht man Zeit. Diese Zeit wollen wir uns aber gar nicht nehmen. Also werde ich vermutlich zurückkommen und noch immer nicht wissen, wohin ich im Leben genau will. Ich werde vermutlich noch immer hin und wieder an meiner Jobwahl zweifeln, mich selbst in Frage stellen, meine Gefühle nicht sortieren können und mich manchmal auch verloren fühlen. Aber es ist in Ordnung.
Deshalb bleibe ich einfach die Alte, nur mit einem Koffer voller Erinnerungen und Geschichten zum Erzählen.
© Johanna Hardt 2023-08-29