von ThoraSimon
Die lacht doch. Wieso hat sie sonst solche zusammengekniffenen Augen?
Das waren noch Zeiten, als ein normales Gesichtsschild gereicht hat … eigentlich könnten sie hier im Reisebüro auch so Spuckschutzscheiben aufstellen, wie drüben auf der Bank.
Lacht sie über meine Frisur? Ich komme direkt von der Drive-in-Teststraße. Morgen werde ich endlich meine Coronamähne los. „Also? Wohin kann ich fliegen?“, wiederhole ich meine ernstgemeinte Frage und wedle mit meinem negativen PCR-Testergebnis. „Es ist mir wirklich egal, Hauptsache weg. Ich halte dieses Lockdown-Jo-Jo nicht länger aus. Dubai soll schön sein. Braucht man dort auch diese Gesichtskondome?“
Die Frau mit den blauen Augen nickt. Vielleicht verzieht sie den Mund bedauernd.
„Ich habe gegoogelt. Die Vereinigten Arabischen Emirate zählen zu den sichersten Reisezielen der Welt!“
Sie wiegt den Kopf hin und her. „Das war höchstwahrscheinlich eine präcoronale Info.“
„Haben die nicht längst auf Impftourismus umgesattelt? Nicht dass ich unter Coronoia leide, aber wenn ich schon mal dort bin …“
„Wollen sie wirklich fast zehn Stunden durchgehend mit Maske herumlaufen und sitzen? Am Flughafen in Wien, im Flieger, am Flughafen in Dubai? In den öffentlichen Bereichen der Hotels muss man sie ebenfalls tragen.“
„Normalerweise bin ich um diese Zeit immer in Thailand …“ Sie tut, als wäre ich der erste Kunde heute, der mit Coronablues seinem Fernweh frönt. Will die gar kein Geschäft machen?
Ihr Blick wird starr und eine Falte furcht ihre Stirn. Sicher presst sie die Lippen missbilligend zusammen. Vielleicht hätte ich das mit Thailand nicht erwähnen sollen? Jetzt denkt sie, dass ich mich nach einem Kuschelkontakt sehne, dabei will ich doch nur in Ruhe Meeresluft schnuppern und ein Abstandsbierchen trinken.
„Wofür ist denn das Ampelwarnsystem überhaupt gut, wenn man dann erst nirgends hin kann? Es kann ja nicht sein, dass ich der einzige Coronamüde bin?“ Etwas kitzelt in meiner Nase. Schnell halte ich mir durch den Mund-Nasen-Schutz beide Nasenlöcher vor lauter Niesscham zu. Ein Zugeständnis an diese „neue Normalität“.
„Es ist trotzdem schwierig im Moment. Viele Hotels sperren gar nicht auf, wegen der schlechten Auslastung. Vielleicht haben sie auch nur Touristenphobie. So lange es diese ganzen Covidioten und Maskentrottel gibt, die sich nicht um Mindestabstandsregeln scheren und glauben, ein Babyelefant wäre nicht größer als ein Hamster … womöglich müssen sie den Gästen noch eine zusätzliche Corontäne spendieren.“ Sie zuckt fatalistisch mit den Schultern.
„Verständlich“, murmle ich und denke an die allfälligen Coronababys, die dieses Szenario höchstwahrscheinlich nach sich ziehen würde. Mein Blick schweift resigniert etwas ab. Vor dem Büro gibt es eine Verweilzone mit Aschenbecher. Ein alter Bekannter von mir zündet sich gerade eine Zigarette an. Ich habe ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.
© ThoraSimon 2021-10-19