von JanGroenhain
Unlängst war ich im Keller mit Aufräumen und Entrümpeln beschäftigt. Da waren ganz hinten einige Kartons, die ich schon sehr lange nicht mehr geöffnet hatte. In einem davon fanden sich Schulhefte und Bücher aus den 1970er Jahren. Ich hob die schon leicht modrig riechenden Schätze aus der Schachtel und begann zu schmökern. Erinnerungen kamen hoch.
Einige Hefte mit Schulaufsätzen aus verschiedenen Schulstufen hatte ich aufbewahrt. Ich blätterte langsam durch und begann zu lesen. An einige der Aufsätze konnte ich mich tatsächlich noch erinnern. Das Schreiben von Geschichten hatte mir immer schon Spaß gemacht und ich freute mich jedes Mal, wenn es galt einen Schulaufsatz zu schreiben.
Eine Geschichte löste einen besonderen Aha-Effekt aus, weil sie damals meinem Deutschlehrer sehr gefallen hatte und ich sie deshalb mehrmals vorlesen musste. Eine Reizwortgeschichte aus der 6. Schulstufe, ich war damals 12 Jahre alt. Es galt, aus drei unterschiedlichen Begriffen eine Geschichte zu erfinden. Sie ist hier eins zu eins widergegeben, lediglich die Rechtschreibfehler sind (hoffentlich) ausgemerzt:
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Keller, Bettler, Brief
Rums! Mit einem lauten Knall flog die Kellertüre zu. Das Schloss knackte ein, stampfende Schritte entfernten sich.
Der stockbesoffene Bettler war die Kellerstiege hinuntergekollert, hatte sich mühsam aufgerappelt und kauerte nun auf der untersten Stufe. „Meine letzte –hick- Schnapsflasche hat die –hick- Kurve gekratzt“, jammerte der Besoffene, als er die Scherben sah. Mühsam versuchte er, den ausgeronnen Schnaps aufzulecken.
Mit aller Kraft rappelte er sich auf und taumelte herum, wie ein Kleinkind beim Gehen lernen. Kaum hatte er einige Schritte getan, stolperte er über eine Kartoffel und stürzte gegen die Wand und wieder zu Boden. „Aua, -hick-, meine Rübe“, miaute er und hielt sich am Hinterkopf. „“Die blöde Mauer steht mir auch -hick- dauernd im Weg!“
Er setzte sich wieder auf seine Stufe und schickte sich an, ein kleines Schläfchen zu machen. Doch da kam plötzlich etwas langsam durch das Kellerfenster heruntergeflogen. Es war ein Brief. „Hoppla, -hick-, der Briefträger ist auch schon gekommen“, plapperte er.
Vorsichtig öffnete er den Brief und begann zu lesen. „Mein geliebter Toni!“ „Oh, das fängt ja gut an“, stammelte er. „Wann sehen wir uns –hick- endlich wieder? Ich warte schon so –hick- sehnsüchtig auf Dich. Ich habe dich doch schon so lange nicht mehr gesehen. Komm doch –hick- bald wieder zu mir. Dein geliebtes Mausilein.“ „Oh lieber Gott“, stöhnte der Bettler, indem er glaubte, der Liebesbrief wäre an ihn gerichtet. „Geliebtes Mausilein“, wiederholte er und versuchte sich zu erinnern. „Das muss schon –hick- sehr lange her sein“, und er begann zu träumen. „Wann sehe ich Dich –hick- wieder, ich träume Tag und Nacht von Dir“. Wie wundervoll, dachte er zufrieden.
Und in der Hoffnung, sein Mausilein bald wiederzutreffen, schlief er beruhigt und zufrieden auf dem harten Steinboden ein.
© JanGroenhain 2021-06-21