von Gabriele Brunner
Nein, nicht Chopin, ich meine schon Chopart. Dieser Name trat sehr abrupt in mein Leben, sehr rasch, unwirklich rasch und total unpassend. Inmitten der Reisevorbereitungen für die Amalfi-Küste passiert mir ein fataler Gehfehler auf der Terrassenstiege. Nass vom Regen, die Stufenkante erbarmungslos rutschig. Mein rechter Fuß knickt nach rechts – blitzartiger Schmerz und zudem ein beunruhigendes Knacksen. Mein Körper fällt rücklings auf die linke Seite und ich stoße einen für mich unüblich lauten Schrei aus. Mein persönlicher Rettungssanitäter und bester Ehemann ist rasch zur Stelle, vermutlich blass vor Schrecken. Ich konnte es nicht wahrnehmen, denn mein Fuß verlangte meine ganze Fürsorge. Die Erstversorgung gelingt perfekt, meine 1. Rettungsfahrt mit 65 Jahren ist rasch organisiert und ich lande in der Unfallabteilung des KH Steyr. Bestens versorgt – Röntgen, CT und wieder Röntgen – tritt nun Chopart in mein Leben. Ein Oberarzt erklärt mir äußerst freundlich und geduldig, was mit meinem rechten Fuß los ist. Meine Chopart-Linie sei verletzt – knöcherner Bandausriss an drei Stellen. Oops – und schlagartige Ernüchterung: Die Amalfi-Rundreise in 3 Tagen wird unmöglich – nachfragen sinnlos. 6 Wochen Gips werden verordnet – davon 1-2 Wochen Liegegips. Ich fühle mich schwindlig und wie im falschen Film, aber die Realität sagt mir: Es ist wie es ist – vorwärtsschauen und nicht jammern. Mach das Beste draus, wer weiß wofür es gut ist. Mein Sani hört das zwar nicht so gern, aber ich bin in meinem Leben immer wieder davon überzeugt worden. Ein erster Kontrolltermin in einer Woche wird vereinbart, dann chauffiert mich mein persönlicher Betreuer mit Zwischenstopp an einer Apotheke nach Hause. Sofort sondiere ich die neuen Bewegungsmöglichkeiten. Die „Ferrari-Roten“ Krücken werden aus der Garage geholt, das Gehumple soll rasch erlernt werden. Gehen mit Krücken – also so ungeschickt war ich schon lange nicht, bin ich doch eine Yoga-praktizierende Frau mit gut trainiertem Einbeinstand. Doch mit einem Gips am rechten Bein schaut das alles ganz anders aus. Dennoch: Los geht’s, Übung macht die Meisterin.
Nun noch ein wenig Theorie zum Chopart-Gelenk. Den Namen verdankt es dem französischen Chirurgen François Chopart (1743-1795). Er ist derjenige, der diese Gelenkgruppe – eine anatomische Struktur im Fuß – als Linie für eine allfällige Amputation des Mittelfußes vorgeschlagen hat. Gott sei Dank steht bei mir ja keine Amputation an, sondern nur die hoffentlich rasche Ausheilung einer Verletzung. Dieser Karfreitag wird sich tief einprägen, mein fataler Gehfehler mit großer Auswirkung – und dann stirbt am Ostermontag auch noch der Papst. Oh Gott, was sind das für Feiertage. Diesmal bin ich für die Nestsuche im Garten oder gar an der Amalfi-Küste nicht vorgesehen. Schade, das Wetter hätte durchaus gepasst. Zum ersten Frühstück mit Gips ertönt aus dem Radio eine tolle Begrüßung: Adriano Celentano trällert sein Azzuro. Super, ich wünsche mir gerade italienische Musik. Verschärft kommen in kurzen Abständen weitere Italo Attacken daher, mal ein TV-Reisebericht zur Amalfi-Küste oder die Ankündigung einer Amalfi-Zitronen-Invasion durch eine große Handelskette. Ich werde mir erstmal einen guten Limoncello besorgen, der meine Italo-Wunde ein wenig heilen kann, wenn der Fuß wieder in Freiheit landet und es ab zur Physiotherapeutin geht. Bald hüpfe ich wieder wie ein Osterhase herum, wenn auch etwas verspätet. Aber die nächsten Ostern kommen bestimmt.
© Gabriele Brunner 2025-04-27