Kerz´n aufi Kerz´n obi oba heit geht´s guat…

Meine Geschwister hatten es gut. Die waren schon alle ausgezogen und kamen zu Weihnachten sozusagen ins gemachte Nest. Ich war das Opfer, das mit dem neuerdings verrenteten Altehepaar die Weihnachtsvorbereitungen für die Großfamilie durchhecheln durfte.

„Wer hat denn diese hässliche Lichterkette an den Baum gemacht! Warst DU das?“

„Ich hab das nicht entschieden! Ich tat das nur auf Geheiß!“

„Von wem?“ Eine überflüssige Frage in einem Vater-Mutter-1Kind-Haushalt.

„Na, vom Vater, vorhin!“

Mutter im Feldwebel-Kommando: „Aber sofort runter damit! Da kommen die echten Kerzen dran! Wie immer!“

Kommentarlos fummele ich die Lichterkette ab. Der Vater kommt mit der Mehrfach-Steckerleiste herein. „Was soll das? Was machst Du da?“

„Die Mutter will echte Kerzen…“

„Papperlapapp! Da kommt die Lichterkette dran und fertig! Los, klemm sie wieder dran!“ Er, zufrieden mit dem Werk, macht sich auf, Ersatzlampen im Baumarkt zu holen. Als Mutter mit der Weihnachtskrippe den Raum betritt, schnappt sie nach Luft.

„Wieso ist die Lichterkette da schon wieder dran?“

„Der Vater will keine echten…“

„So ein Quatsch! Das gab´s ja noch nie! Runter damit! Ich hol die Kerzen.“

Ich montiere die Lichterkette wieder ab und lege sie ordentlich zusammen. Mutter reicht mir einen Kerzen-Klemmhalter nach dem anderen an, ich turne auf der Leiter rum und lasse mich von Tannennadeln piksen. Ich kenne schön langsam jeden Ast mit Vornamen. Sie ist selig und summt ein Liedchen.

Was ich aber höre, ist Vaters Auto und was ich ahne, wird wahr: „Wieso zum Teufel sind schon wieder diese Dinger da dran?“ bölkt er mich an.

„Die Mutter will keine…”

„Das ist mir völlig egal, was sie will! Letztes Jahr ist fast der Baum in Flammen gestanden! Die Lichterkette kommt da drauf und ich will keine einzige Kerze brennen sehen! Und schon gar keine im Baum!“

Meine Augenlieder schließen sich halb, ich beiße die Zähne zusammen und jetzt summe ich ein Liedchen. Geduld vortäuschend fummele ich die Lichterkette zum dritten mal wieder in die Äste, Ich beginne grade damit, die Kerzenhalter wieder abzuzupfen, als ich Mutters Entrüstung schon am sprunghaften Anstieg der Raumtemperatur spüre.

„Also da hört sich doch alles auf! Wirst Du wohl die Kerzenhalter da dran lassen…ich hab doch eindeutig gesagt…“

„So, jetzt ist´s gut. Weißt Du, was ich Dir jetzt eindeutig sage: Entweder Ihr werdet Euch jetzt einig, oder ich rufe noch heute bei Amnesty International an!!!“

Am Abend brannten während der Bescherung die echten Kerzen am Baum und ansonsten erleuchtete ihn während der Feiertage die Lichterkette. Fortan hatten wir nur noch salomonische Weihnachtsbäume, ich zog aus und kam ab dann zu Weihnachten auch immer erst kurz vor dem Abendessen nach Hause.