Kinder in der Nachkriegszeit im 5. Bezirk

Luise Buisman

von Luise Buisman

Story

Als ich neun Jahre alt war zog ich mit Mutter und Vater in eine vermietete Wohnung, wo wir 2 Zimmer benutzen durften. Es waren wenige Möbel in den Zimmern und ich schlief auf einem Feldbett. Dafür gab es aber Wanzen. Mich ekelte sehr davor und jede Nacht hat meine Mutter mit der Taschenlampe nach den Viechern gesucht und sie zerquetscht. Wir hatten einen Kachelofen in einem der Räume stehen aber kein Holz oder Kohlen zum Heizen. Meine Mutter ging zu einem Sammelplatz, wo die Frauen Kohlenstaub in Kübeln sammeln durften und zu Hause mischte sie den Kohlenstaub mit Wasser und packte würfelförmige Mengen in Zeitungspapier um den Ofen zu heizen.

In der Schule, die gegenüber war (jetzt heißt sie Karl Popper Schule) war im Winter keine Heizung und die Fenster waren teils mit Packpapier verklebt, weil es kein Fensterglas gab. Da bekamen wir Kälteferien und mussten nicht in die Schule gehen. Es war ein sehr kalter Winter. Wir trafen uns mit den anderen Kindern im Draschepark und dort machten die Erwachsenen uns eine „Schleifen“. Es wurde Wasser auf den unteren flachen Asphaltteil im Park so lange aufgesprüht bis es eine gefrorene Eisfläche war. Wir stellten uns der Reihe nach an, nahmen einen gewaltigen Anlauf und schlitterten über das Eis bis dort eine ganz glatte Bahn wurde. Das gefiel den Eltern weniger, denn die Sohlen der Schuhe wurden kaputt.

Am oberen Teil des Parks war im Krieg ein großer hoher Kreis aus Steinen und dann Erde aufgeschüttet, damit man Wasser hätte hineinfüllen können. Wenn Häuser gebrannt haben, konnte die Feuerwehr Wasser dort holen, um zu löschen. Da kletterten wir die steilen vereisten Seiten hinauf und rodelten hinunter. Ich hatte keine Rodel, aber ich durfte manchmal mitfahren.

Im Frühjahr und Sommer spielten wir bei den Ruinen der zerbombten Häuser. Viele Häuser hatten nur zwei oder dreiWände stehen und man sah Stockwerke, wo noch Möbel standen, aber keine Vorderwände. Unten lag viel Schutt und Ziegel aber die waren mit der Zeit verdeckt mit Staub und Erde und viele Pflanzen waren darauf gewachsen. Es gab viele kaputte, zerbombte Häuser und das waren für uns Kinder herrliche Spielplätze. Wir nannten sie die „Gstetten“. Wir spielten direkt mit den alten Steintrümmer und Ziegeln, bauten Höhlen und Spielhäuser und Burgen daraus und krochen in halbverschüttete Keller.

Das alles war natürlich von unseren Eltern streng verboten!

Das Haus in dem wir wohnten stand direkt am Gürtel. Davor war die Straße und die Bahnlinie zum Südbahnhof (jetzt Hauptbahnhof) Es wurden viele Bomben abgeworfen, um die Bahnhöfe und die Geleise zu zerstören. Eines Tages wurde ein Anhang im Stiegenhaus angebracht: die Ruinenreihe direkt am Gürtel musste gesprengt werden. Da mussten wir alle an dem Tag aus den umliegenden Häusern hinausgehen und dabei alle Fenster offen lassen. So standen wir lange Zeit entlang dem Gürtel, so weit weg wie möglich. Endlich war es soweit. Mit einem dumpfen Knall sanken die kaputten Häuser in sich zusammen.

© Luise Buisman 2020-03-22

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