von Maria Büchler
Wenn ich an den Fasching in meiner Kindheit denke, staune ich, wie viel Mühe unsere Eltern sich gegeben haben. Nicht nur, dass Mama unsere Verkleidungen selbst nähte. Wir durften auch vier, fünf Kinder zu einem kleinen Fest einladen.
Sie backte Schaumrollen und Brandteigkrapfen, fabrizierte die in Mode gekommenen bunten Sandwiches und schmückte Küche und Stube mit Girlanden aus Krepppapier. Auf der Anrichte lagen Papierschlangen, die am Aschermittwoch ebenso wie die Girlanden säuberlich aufgerollt wurden, um im nächsten Jahr wieder Verwendung zu finden.
Dasselbe geschah mit den beiden Rollen WC-Papier, die für das Mumienspiel gebraucht wurden. Auch eine beachtliche Anzahl von Scherzfragen und Spielen bereitete sie vor. Heute frage ich mich, woher sie all diese Ideen nahm, denn sie tauschte sich kaum mit anderen Müttern aus. In ihrem eigenen Elternhaus hatten solche Feste jedenfalls nicht stattgefunden.
Für das sogenannte Fischen errichtete sie in der Küche mithilfe einer Decke einen geheimnisvollen Ort. Wir Kinder standen davor und hielten eine „Angel“ hinter diese Wand. Für uns unsichtbar plätscherte Papa mit einer Hand in einem Kübel Wasser, während er mit der anderen jeweils ein Körbchen aus Orangenschale an die Leine hängte, wir unseren „Fisch“ hochzogen und Süßigkeiten in Empfang nahmen.
Bei einem beliebten Spiel sagte Mama: „Jetzt nagle ich einen Teller an die Zimmerdecke.“ Sie füllte einen alten Suppenteller mit Wasser, stieg auf einen Stuhl und hielt ihn empor.
„Oh, jetzt habe ich die Nägel vergessen. Sei so gut“, wies sie ein bisher noch nie dabei gewesenes Kind an, „und halte inzwischen mit dem Besenstiel den Teller fest.“ Sobald das nichts ahnende Kind mit dem stützenden Besen dastand, stieg sie vom Stuhl. Früher oder später verschob sich der Besen vor lauter Lachen, der Teller fiel herunter, und das Kind wurde ein bisschen nass.
Neben Römisch Beichten und Eckenraten gab es auch noch das gegenseitige blinde Füttern und das Hypnosespiel. Dort kam Ruß zum Einsatz, der im Allgemeinen nicht gerade ein Freund meiner Mutter war. Doch selbst wenn schwarz angemalt und gespritzt, geschmiert, gekleckert und gebröselt wurde, ließ sie ausnahmsweise Fünfe grad sein.
Unser Vater nahm sich jedes Mal bei der Arbeit frei, um sie zu unterstützen. Mit kindlicher Freude beteiligte er sich auch am größten Unsinn und übernahm gern die undankbaren Rollen.
In meiner Heimatstadt Bludenz hatten wir einen Kinderarzt, der sehr beliebt war. Seine Tochter ging gleichzeitig mit mir in den Kindergarten. Einmal war er beim dortigen Faschingsfest dabei. Zum Erstaunen meiner Mutter zeigte er sich bei den Spielen ebenso ausgelassen wie Papa und war für jeden Spaß zu haben. Mama konnte nicht aufhören, sich darüber zu wundern. Sie dachte nämlich, dass nur Papa so „kindisch“ sei und andere Männer, gar noch studierte Leute wie die Ärzte, sich würdevoller und gesetzter betragen. Zum Glück nicht!
© Maria Büchler 2023-02-09