von SuzukiOma
Ich denke sehr gerne und oft an meine Kindheit. An die große Freiheit, die wir genießen konnten. Rundherum waren die Schäden des Krieges zu bemerken, zerbombte Häuser, aber auch in nicht bewohnten Gebieten gab es die Bombentrichter. Ein Spielplatz der besonderen Art, dort wuchsen akkurat die schönsten Veilchen von ganz „Überall“.
Und wir hatten viele Freunde, bzw. Freundinnen, die wir zu jeder Zeit treffen konnten, da brauchte man sich nicht zu verabreden, man fand sich ganz einfach ein. Mal in dem einem Garten, mal im anderen, wo man halt die Lacher vernahm, dorthin führte der Weg.
Gegenüber von uns war meine damals allerbeste Freundin zu Hause. Ihr Vater war Tischlermeister und es roch so gut nach Holz. Über die Straße konnten wir ungestört Ball spielen, es waren kaum Autos unterwegs. Meistens kamen Lastwagen einer Schotterfirma durch, dann die Lieferanten und manchmal der Eismann. Nein, nicht der mit Speiseeis, sondern Blockeis für den Fleischhauer in unserer Nachbarschaft. Das war eine Gaudi, den begleiteten wir besonders gerne, es fielen immer Eissplitter für uns ab.
Ich durfte auch bei der Freundin übernachten, das war immer ein Highlight für mich, denn die Familie besaß ein Bad mit schwarzen Fliesen. Das war unheimlich eindrucksvoll und ich fühlte mich wie im Paradies. Die Eltern waren nett und die Großeltern besonders liebe Leute.
Eines Tages, ein Schar Kinder war bei uns im Haus, betraten zwei Russen das Textilgeschäft meines Opas, um ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. In der Nähe war ein großes Russenlager mit vielen Baracken, Autos und ebenso vielen Panzern. Der Bruder einer Schulkollegin und ich spielten Verstecken im Geschäft, da war natürlich die besondere Kundschaft sehr interessant. Als sie den Einkauf erledigt hatten, folgten sie uns ganz einfach in den Garten, wo meine Mutter eben mit dem Umstechen beschäftigt war. Dort wollten sie unbedingt mit uns Ball spielen. Im Handumdrehen waren die anderen Kinder alle verschwunden, teils nach Hause gelaufen wie meine Freundin oder bei uns im Haus versteckt. Also blieben der Bub und ich über, aber ohne Angst spielten wir Abschießen. Schließlich traf ich einen der Russen an der Nase, die sofort zu bluten begann. Meine Mutter befürchtete schon das Schlimmste und nahm den Spaten fester in die Hand. Doch die beiden lachten nur und nahmen uns dann mit in ein Zuckerlgeschäft, wo sie uns ein paar Kleinigkeiten kauften. Also alles gut ausgegangen.
Dieser Freundin war ich noch lange Jahre sehr verbunden, ich erlebte die Hochzeit, die Geburt des ersten Buben und ihren weiteren Werdegang. Oftmals ging ich zu ihr und sie schnitt mir die Haare. Später waren wir nur noch lose in Kontakt, aber wir verloren uns nicht aus den Augen, ich besuchte sie und ihren zweiten Mann oft bei ihrem Häuschen an einem Teich. Wir sind nun beide über Siebzig und freuen uns immer, wenn wir uns über den Weg laufen. Auch mit WhatsApp gibt es ständig Austausch und wir erinnern uns oft an unsere Kindheit.
© SuzukiOma 2020-10-02