(Kinder/Jugend)Schutzrichtlinien

Laudine

von Laudine

Story

Als ausgebildete Sozialwissenschaftlerin habe ich die Situation und das Verhalten der Vereinsmitglieder im Nachhinein evaluiert. RĂĽckblickend habe ich mich als junger Mensch nach erlebten Gewalterfahrungen an eine Vertrauensperson gewandt und somit GENAU DAS getan, was in den Kinder/Jugendschutzrichtlinien empfohlen wird.

In diesen Richtlinien des Vereins wäre auch ganz genau vorgegeben, wie man im Fall von Grenzüberschreitungen eigener Mitarbeiter/innen vorzugehen hat. Neben dem Ruhe-Bewahren gehört dazu, dass der Verdacht nicht unter weiteren Mitarbeiter/innen verbreitet, sondern umgehend der Kontakt zu einer Vertrauensperson hergestellt wird, die dann weitere Schritte einleitet bzw. einen Profi dazuholt.

Es würde eigentlich den Verantwortlichen obliegen, entsprechend zu intervenieren, sie sind es den Opfern, den anderen Mitarbeiter/innen und auch den Mitgliedern schuldig, die darauf vertrauen, dass im Missbrauchsfall adäquat reagiert wird. Ein einzelner Mensch hat durch einen Fehltritt aufgezeigt, wie ein ganzes System ins Wanken kommt und kollektiv versagt. Das passiert, wenn die Aufarbeitung eines #MeToo-Vorfalles fehlt:

Der Jugendbeauftragte hat mich in eine #MeToo-Geschichte hineingezogen. Wie komme ich dazu? In meiner Not habe ich wiederum andere Mitarbeiter/innen hineingezogen, die ihrerseits nicht entsprechend reagiert haben. Wo ist der Schutz? Der Schutz der Opfer? Der Schutz der Mitarbeiter/innen? Der Schutz der Mitglieder? Wie kommen die dazu?

Noch einmal habe ich den zuständigen Bereichsleiter darum gebeten, sich einzuklinken, weil es keinerlei Aufarbeitung gegeben hat. Seine Antwort:

Liebe Frau R., Sie dürfen mir glauben: Es tut mir sehr leid, Ihnen nicht mehr helfen zu können. Der Regionalleiter hat Ihnen die Perspektive und Position unseres Vereins mitgeteilt. Was in meinen persönlichen Möglichkeiten stand, habe ich in der Vergangenheit versucht und Ihnen angeboten. Alles Gute! Mit herzlichem Gruß, Bereichsleiter

“Sie sind ja schon erwachsen gewesen” – “Ich bin dafür nicht verantwortlich!” – “Es ist doch eh schon so viel passiert!”

Okay. Wie viele Stunden Therapie hat der Täter bekommen? Hat er Einsicht für sein Verhalten gezeigt? Welche Konsequenzen gab es für die Beteiligten/Verantwortlichen, die das Fehlverhalten toleriert haben?

Man kann noch so viele Fehler BEI MIR suchen – der Punkt ist ein anderer – nämlich der, dass die GLEICHEN Leute, die auch im Missbrauchsfall von Minderjährigen zuständig wären, hier massiv versagt haben. Ein Kind, ein/e Jugendliche/r, eine labile Person hätte keine Chance gehabt. Es hat 15 Jahre gebraucht, um intern jemanden zu finden, der professionell reagiert – da gibt’s ordentlich Luft nach oben! Die Täter/innen-Strategien haben gegriffen, die Schutzrichtlinien leider nicht.

Tja. Der Verein wird wohl noch an “Perspektive und Position” arbeiten müssen. Und an den Schutzrichtlinien.

© Laudine 2020-12-08

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