von Line33
„Mama, warum trägt die Frau die Maske unter der Nase?“ – „Naja, vielleicht ist sie hinuntergerutscht.“ – Es folgt ein kleines Ziehen an der Hose der Frau, unterstrichen mit den Worten: „Sie mĂĽssen die Maske ĂĽber der Nase tragen, sonst bringt das nichts!“ Die Mama, die mittlerweile rot angelaufen – weil sie sich geniert – entschuldigt sich bei der Frau und will den Kleinen wegziehen, aber … es geht lautstark weiter. „Und warum schiebt die Frau sie jetzt nicht wieder ĂĽber die Nase, ich hab ihr doch gesagt, dass das nicht richtig ist.“ Die Frau, die nun von allen an der Supermarktkasse angestarrt wird, errötet, schiebt sich die Maske ĂĽber die Nase und fängt hektisch an, die Sachen in ihr Sackerl zu räumen. Der kleine Mann ist aber immer noch nicht am Ende seiner Weisheit angelangt. „Mama, das Kleid der Dame ist ja hĂĽbsch, aber sie nicht! Wieso ist das Gesicht der Frau so bunt? Wieso darf sich die Frau anmalen und ich nicht!“ Fluchtartig verlässt die peinlich berĂĽhrte Dame den Supermarkt, während der Junge weiter lautstark seine Fragen stellt und mich damit – ich muss es ehrlich zugeben – köstlich amĂĽsiert. Die kindliche Ehrlichkeit ist nicht nur erheiternd, sondern auch von Grund auf gut. Kinder meinen es nämlich nicht böse, wenn sie solche Fragen stellen, sie wollen es einfach wissen. Mein AmĂĽsement wurde noch gesteigert, als seine Aufmerksamkeit nach einer kurzen Pause auf mich gerichtet wurde. Kurz zur Erklärung, ich trug ein Batman-Shirt und hatte Joker-Converse an. Die erste Frage, warum ich ein Batman-Shirt trage, war noch einfach zu beantworten, danach wurde es schon schwieriger, denn dann kamen Fragen wie: „Wieso bist du so klein?“ – „Warum hast du blaue Augen?“ – „Warum sind deine Bubus (=BrĂĽste) größer als die von meiner Mama?“ Ich kam aus dem Lachen nicht mehr raus und die Mama wurde dunkelrot vor lauter Scham. Komischerweise störte ich mich gar nicht an den Fragen und ich versuchte sie zu beantworten, so gut ich konnte, aber der Mama war es sehr unangenehm. Weil es mich sehr interessierte, fragte ich die Mutter, warum es ihr denn gar so peinlich sei, und die Antwort schockierte mich dann doch etwas, denn sie meinte: „Weil Sie die erste Person sind, die mir nicht vorhält, dass ich meinem Dreijährigen keine Manieren beigebracht hätte und warum sich dieses Kind nicht benehmen kann.“
Meine Antwort war auch einfach, denn ich meinte nur: „Schauen Sie sich einmal genau um und sagen Sie mir, wie viele der Erwachsenen sich immer „richtig“ benehmen!“ Ein verdutzter Gesichtsausdruck war das Ergebnis. „Erwachsene benehmen sich auch manchmal daneben, werden aber nicht darauf hingewiesen, weil sie ja erwachsen sind, aber Kinder dĂĽrfen nicht nachfragen, wenn sie etwas wissen wollen? Und nicht umsonst heiĂźt es `Kindermund tut Wahrheit kund´. Kinder haben keine Angst ihre Wahrheit und Wahrnehmung zu sagen, lassen Sie ihn, solange er darf und kann.“ Sie lächelte mich an und bedankte sich fĂĽr einen ganz normalen Umstand, nämlich Akzeptanz…
© Line33 2020-08-15