Kindheit im 2. Weltkrieg

Peter Haas

von Peter Haas

Story

Ich wollte einen Tunnel graben von unserem Garten bis zum Landratsamt, in dem mein Vater täglich arbeitete, etwa zwei Kilometer unter der Erde durch, und es erschien mir als ein realisierbares Projekt. Damals war ich etwa 5 Jahre alt. Ich kam etwa einen Meter tief. Später kamen Arbeiter hinzu und es wurde dann ein Luftschutzbunker daraus gebaut, mitten in unserem Garten, mit einem verwinkelten Eingang und einer etwa zwei Meter dicken Erdschicht oben drauf. Das war auch eine aufregende Sache, aber ich war doch enttäuscht über das Scheitern meines eigenen Projektes.

Der Krieg, und alles, was damit zusammenhing, kam mir weniger bedrohlich als vielmehr abenteuerlich vor. Alles wurde mir von der siegreichen heroischen Seite geschildert. Als später die ersten Soldaten fielen, kam mir das Gejammer auch übertrieben vor, denn man hatte mir beigebracht, dass man wieder aufsteht, wenn man hinfällt und über aufgeschürfte Knie nicht weint. Später lernte ich, was es eigentlich heißt, wenn einer im Krieg „gefallen“ ist. Erst mit der Flucht –gegen Ende des Krieges – wurde es für mich ernst. Das Bild des Krieges war außerdem durch Wochenschauberichte geprägt, die nur siegreiche deutsche Eroberungen zeigten mit denen ich mich gerne identifizierte. Wenn mir etwas wehtat, dann sang ich mit Inbrunst: Wenn wir fahren, wenn wir fahren, wenn wir fahren gegen Engelland… oder: Es rasseln die Ketten, es dröhnt der Motor, Panzer rollen nach Afrika vor…oder: Vorwärts, Legionäre, vorwärts im Kampf sind wir nicht allein, und die Freiheit soll Ziel unseres Kampfes sein. Abends schloss ich den Führer in mein Gebet ein, das so endete: …und so schütz mit starker Hand unser Volk und Vaterland. Amen. Dann musste ich die Hände über die Bettdecke tun, warum, das erfuhr ich erst viel später.

Am Bahnhof waren Soldaten, die öffentliche Übungen und Vorführungen machen. Da durften wir Jungens auch in die Panzer klettern und eine Panzerfaust anfassen. Ich erinnere noch den roten Knopf, den wir nicht anfassen durften, denn mit ihm konnte die zerstörende Gewalt ausgelöst werden, die in meiner Jungensphantasie auf den Feind gerichtet war, den es zu schlagen galt, zu vernichten. Dabei schien es mir fraglos klar, dass wir die Guten waren und der Feind böse. Wer der Feind sei, davon hatte ich keine genauere Vorstellung. Ein Bild taucht immerhin auf, eine dunkle Schattengestalt, halb angeschlichen gekauert, halb auf der Flucht und dabei der warnende Text: Pssst, Feind hört mit! So könnte er aussehen, dunkel, ängstlich, bedrohlich, unheimlich. So sah er auf Plakaten aus.

© Peter Haas 2021-05-05

Hashtags