Kinoaufregung

Anna Geier

von Anna Geier

Story

Das erste Kino, das ich erlebte, war in Groß Gerungs. Da es im Freizeitbereich noch nichts gab, war es eine besondere Bereicherung. Der Herr B., dem das Kino gehörte, sprang auf den beginnenden aufkeimenden Zeitgeist auf. Er lebte davon und war gewillt, zwecks Besucherzahlsteigerung die ersten Sexfilme, die in den 70er-Jahren entstanden, zu zeigen.

Mit seinem Leiterwagerl fuhr er zum Bahnhof und holte die bestellten Filme ab, denn diese wurden damals mit dem Zug geliefert. Vor dem Eingang seines Kinos hatte er einen Schaukasten. Dort hingen die Ankündigungen der nächsten Filme und die Spielzeiten.

Zwischen äußerlicher Sittsamkeit und Triebhaftigkeit, von heimlichen Techtlmechtln, vom Fensterln und den Bemühungen sich nicht erwischen zu lassen und trotzdem etwas Sündiges tun, handelten diese Sexfilme. Die sexueller werdende Freizügigkeit kam auch schrittweise aufs Land. Gezeigt wurde immer mehr. Der nackte Busen war anfangs, die Röckchen und Höschen wurden später immer kürzer und enger. In den Billigproduktionen, die damals erfolgreich waren, spielten blutjunge, liebeshungrige, unschuldige Darstellerinnen. Das war schon aufregend für manche Einheimische.

Meine Tante wohnte neben dem Kino und sah, wer ins Kino ging, denn ihr Hof grenzte an den Kinoeingangshof. Sie regte sich furchtbar auf, wenn wieder so ein Sexfilm angepriesen wurde. Wenn wir sie am Sonntag nachmittags besuchten, blieben wir mit dem Auto vor dem Kino stehen. Da machte ich auch immer einen Blick, welcher Film angekündigt wurde.

Auf der Alm da gibts koa Sünd, drei Lederhosen in St. Tropez, die Schwedinnen in Oberbayern, Alpenglühn im Dirndlrock, Schulmädchenreport, zwei Kumpel auf der Alm, Krankenschwestern-Report, das sündige Dorf, beim Jodeln juckt die Lederhose, Josephine Mutzenbacher, um nur einige zu nennen.

Wenn die Begrüßung der Tante zu Ende war, regte sie sich gleich furchtbar auf, welcher Schmuddelsexkram schon wieder angekündigt war. Durch ihr Glasbalkontüre schaute sie immer in den Eingangshof des Kinos hinunter und sah, wer gerade ins Kino hinein ging. Da sie mit dem Kinobesitzer sogar befreudet war, sagte sie ihm zwar ihre Meinung, aber der zeigte trotzdem einen Sexfilm nach dem anderen.

Dem Onkel hat das vielleicht auch gestört, aber der sagte nichts dazu, mein Vater amüsierte sich darüber und meine Mutter stimmte der moralischen Predigt ihrer Schwester zu.

Ich kam ohnehin als Kind nie in dieses Kino. An welchen Film kann ich mich noch erinnern, den ich Jahre später gesehen habe? Jesus Christ Superstar!

© Anna Geier 2020-02-17