Kirgistan 1995 – ein Land im Aufbruch

Walter Lepuschitz

von Walter Lepuschitz

Story

Kirgistan heiĂźt in korrektem Deutsch eigentlich Kirgisistan oder – älter – Kirgisien. Das Land war bis 1991 Teil der Sowjetunion und ist seit deren Zerfall ein autonomer Staat. Kirgistan – ich werde jetzt bei diesem Namen bleiben – grenzt im Norden an Kasachstan, im SĂĽden an China, im SĂĽdwesten an Tadschikistan und im Westen an Usbekistan. All diesen Ländern ist gemeinsam, dass sich ihre Hauptstädte in Grenznähe befanden und- mit einer Ausnahme – noch befinden. Damit sich ihre damaligen Herrscher schnell in Sicherheit bringen konnten, wenn es – in diesen doch etwas unsicheren Zeiten – brenzlig wurde.

Ich hatte 1995, also dreieinhalb Jahr später, die Gelegenheit, für eine internationale Wirtschaftshilfe-Organisation dort ein Projekt zu betreuen. Gemeinsam mit mir unterwegs war ein Assistent der Universität Klagenfurt, Schwerpunkt Steuerrecht, mit einem eigenen Projekt.

Anreise mit Lufthansa via Frankfurt nach Almaty, das damals noch Alma Ata hieß und zu diesem Zeitpunkt auch noch Hauptstadt von Kasachstan war. Die Hauptstadt wurde später nach Norden verlegt und dann hieß Astana, und heißt heute – nach dem Langzeit-Präsidenten Nursultan Nasarbajew benannt – Nur- Sultan.

Der Flughafen der Hauptstadt Bischkek – in Sowjetzeiten Frunse – hatte eher regionale Bedeutung, deshalb die Flug-Anreise über Almaty. Nach mehrstündigen Einreise-Formalitäten wurden wir von einem Mercedes-G mit koreanisch-stämmigen, aber nicht deutsch- oder englisch-sprechenden Fahrer unserer Organisation nach Bischkek gebracht. Dabei haben wir mehrere Inlandsgrenzübergänge passiert, für die Sowjetbürger noch einen Inlandsreisepass gebraucht haben, wir aber auf Grund des Diplomaten-Kennzeichens aber nicht.

Almaty und Bischkek verbanden eine Autobahn, etwa dreihundert Kilometer. Mit getrennten Fahrspuren, wie wir das kennen, aus solidem Beton, aber ohne Leitschienen oder ähnliche Sicherungen seitlich. Vor einer Kuppe fuhr der Fahrer ziemlich weit nach rechts, so dass wir schon Bedenken hatten. Ganz oben auf der Kuppe – es war eine mondhelle Nacht, so dass wir gut sehen konnten – war ein Loch in der Fahrbahn. Die Hälfte des Rades des Mercedes-G hätte dort hineingepasst. Der Fahrer kannte seine Route.

Im Hotel angekommen, erhielten wir an der Rezeption, wo wir unsere Reisepässe abgeben mussten, eine Art von Pässen mit unseren Zimmernummern. Die SchlĂĽssel dazu erhielten wir von der Stockwerksdame im jeweiligen Stockwerk. Ein Schritt in das Zimmer, ein Rundumblick, intensiver Geruch nach Desinfektionsmitteln und schon standen wir wieder auf dem Gang und sahen uns an: „Wollen wir da wirklich …?“.

Einen Anruf später bei Othmar, unserem Ansprechpartner der Organisation vor Ort, wussten wir: wir mussten, es gab damals kein zweites Hotel am Ort.

© Walter Lepuschitz 2020-05-24

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