Klamotti-Ramazzotti

MISERANDVS

von MISERANDVS

Story

Neben Mathe war in der Schule Turnen immer mein Angstgegner. Ich war für mein Alter viel zu groß, weswegen mir nichts aber auch gar nichts an Ausrüstung passte. Beim Langlaufen bluteten mir die Füße in den Schuhen, so eng waren die Dinger. Half alles Jammern nichts – größere gab es nicht, und Mitmachen war Pflicht. Unser Lehrer war ein durchtrainierter Schinder, der nebenbei noch leidenschaftlicher Fußball-Schiri war. Er ließ es sich nicht nehmen, immer in einer Mannschaft mitzuspielen. Frage nicht, wie unsere Fußballstunden ausgesehen haben! Draußen gings ja noch, aber in der kleinen Halle! “Lauf schon, du fauler Sack!”, brüllte er, dann legte er die Wuchtel auf und trat auf die Pille ein, dass die entweder scheppernd an die Torlatten aus Metall donnerte oder mit einem dumpfen Knall gegen die Wand daneben krachte, dass der Putz von der Wand fiel. Wenn er abzog, gingen die Köpfe aber in Deckung. Blutende Nasen gehörten fix zur Show. Man darf nicht vergessen, wir waren ja noch Kinder, und er hielt drauf, als ginge es um Leben und Tod. Wie ich ihn hasste dafür! Es wollte einfach kein Spaß aufkommen am Spiel.

Wenn es kein Fußball gab, dann stand Laufen auf dem Plan. Die Doppelstunden boten sich dafür prima an. Entspannte acht Kilometer im Schweinsgalopp bei größter Hitze. Die Zwillinge und ich waren immer die letzten. Lange vor der Wende kam uns die Gruppe schon wieder entgegen. “Na los, ihr faulen Hunde! Bewegt euch!”, brüllte er uns grinsend an. Ich für meinen Teil hätte gern meine brennende Lunge ausgekotzt.

Mit das Schlimmste aber waren die Sauna-Samstage. Erst mal Gruppenduschen vorher. Wir pubertierenden drehten uns beim Ausziehen verschämt in alle Richtungen, und er stand grinsend in der Kabine, mit seinem Handtuch um die Hüften, und brüllte: “Klamotti-Ramazzotti- Runter mit der Wäsch‘ und gib ihm!” Die Sauna war dafür sehr fein. Das Schwitzen, die Ruhe, das Hocken. Naja, bis der Aufguss kam, und er uns laut lachend und mit seinem Badetuch wedelnddampfgarte. Im Anschluss ins Eisbecken. Die alte schimmlige Dorfsauna hatte nur ein winziges Becken, auf dem Haare und erstarrte Fettaugen der Saunagänger der kompletten Woche schwammen. Es ekelte mich so furchtbar, aber jeder musste rein. Abtauchen, prustend wieder auftauchen und den Geschmack von eiskaltem Körperfett im Mund. Der Horror!

Nach der Schule hab ich nie wieder was Sportliches gemacht. Ich laufe nich. Niemals. Selbst im größten Regen gehe ich gemächlich. Als ich dann vor ein paar Jahren zu einem Saunagang bequatscht wurde, stellte ich fest, wie angenehm sowas sein kann. In der Therme war alles sauber, kein lautes Wort, Entspannung pur! Ich liebte es.

Nein, Sport und ich – wir werden keine Freunde mehr. Das hat er mir gründlich ausgetrieben. Bis heute zucke ich zusammen, wenn ich einen Fußball gegen eine Wand klatschen hör. Und von Ramazzotti krieg ich Brechreiz, obwohl ich noch nie einen getrunken hab. Turnunterricht – ehrlich, da hatte ich doch lieber Mathe.

© MISERANDVS 2021-05-10

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