Der griesgrämige Nachbar stapft mir entgegen und verbreitet seine missmutige negative Stimmung. Selbst in Eile, denkt man sich nur kurz, der schon wieder und schon schwappen die Gedanken zur Einkaufsliste, zur Arbeit, zum Putzplan. Wie durch Zufall kreuzen sich die Wege am Abend erneut. Der Alltagsmensch ist nach einem langen Arbeitstag noch ausgelaugter als bei der morgendlichen Begegnung. Diesmal schenke ich dem grinchigen Nachbarn aber ganz unbewusst ein müdes Lächeln. Er bleibt stehen und siehe da, er bringt sogar ebenfalls etwas Ähnliches wie ein Lächeln zustande. Beschwingt gehe ich zur Wohnung und nehme mir vor, dem Tag nun öfter entgegen zu lächeln.
Bei meinem täglichen Spaziergang begegne ich regelmäßig einem blassen, dünnen Mann mit einem Dackel, der immer freundlich grüßt. Ich frage mich schon länger, ob er krank ist, ob er einsam ist oder wie er lebt. Eines Tages bleibe ich stehen und frage ihn, wie es ihm geht, plaudere mit ihm über das Wetter und seinen Hund. Dabei merke ich, wie er auftaut, wie gut ihm und mir der Wortwechsel nach monatelang distanziertem Grüßen tut.
Abgehetzt und konzentriert sprintet der Paketdienst aus seinem vor Schachteln überquellenden LKW. Er scannt mit geübtem Blick die Namen an der Klingelanzeige und tippt routiniert in sein Kästchen. Während er sich um seine Pakete bückt, husche ich zu der schweren Haustür und halte sie ihm auf, freundlich grüßend und ein ‘Bitteschön’ auf den Lippen. Erst jetzt scheint er seine Umwelt wahrzunehmen und bedankt sich überschwenglich. Ich kann seine Freude bemerkt zu werden förmlich spüren.
Gespannt lausche ich dem tutenden Freizeichen, bis sich die vertraute Stimme meiner Freundin am Telefon meldet. Sie klingt wie immer etwas abgehetzt als junge Mama von drei Kindern und das Gespräch ist durchwachsen von Ermahnungen an ihre Sprösslinge, aber wir sind beide glücklich über den längst fälligen Austausch, der sich nach unseren verpassten Rückrufversuchen, bereits über zwei Monate hinzieht. Wie immer fühle ich mich nach einem Gespräch mit ihr innerlich leichter und beschwingt, als wäre mir Ballast abgenommen worden.
Ich stehe an der Kasse und registriere unter meiner Maske vorerst nicht einmal, wer vor mir ansteht. Erst als die Frau fluchend vom Kassaband weghetzt, weil sie scheinbar etwas vergessen hat, fällt sie mir auf. Der Kassier fragt mich, ob er meine Einkäufe vorziehen soll, als die zierliche Frau schon wieder retour huscht und die vergessenen Dinge aufs Band pfeffert. Sich sichtlich unwohl fühlend, sieht sie mich an ‘Was man nicht am Zettel stehen hat…’ Ich winke ab und meine, dass wir das alle kennen. Dankbar nickt sie mir zu und nimmt ihr Wechselgeld entgegen. Ich sehe ihr Lächeln durch die Maske.
Momente wie diese sind nur einzelne Ausschnitte, die unseren Alltag schöner machen. Schenken wir uns respektvollen Umgang, Vertrauen, gegenseitige Aufmerksamkeit und ein Miteinander durch kleine Gesten, die großes bewirken.
© Carina Allerstorfer 2021-12-12