Kleine Möwe

Horst Sammet

von Horst Sammet

Story

…flieg nach Helgoland, das hört sich doch besser an als flieg nach Sansibar, obwohl es dort sicher nicht schlecht wäre. Aber ich fange schon wieder in der Mitte der Geschichte an und das geht nicht, also alles der Reihe nach.

Meine Urgroßeltern lebten im Alten Land, die Großeltern und meine Mutter in Cuxhaven. Da mein Opa im Krieg gefallen ist, verließen die beiden Frauen ihre Heimat und ihre Verwandten. In Bayern lernte meine Oma ihren zweiten Mann, welcher aus Österreich kam, kennen. Leider ist mein Stief-Opa (heißt das so?) bereits 1974 verstorben und ich konnte nicht viel über in erfahren, da Besuche selten waren und über Vergangenes immer schon wenig gesprochen wurde und fragen traute ich mich auch nie.

Oft haben meine Frau und ich in den 1980er Jahren Cuxhaven und das Umland unsicher gemacht und diverse Ferienwohnungen ausprobiert. Stundenlang standen wir auf der Alten Liebe (eine Landungsbrücke), machten Fotos mit der Kugelbake oder haben einfach nur das Wasser und die Schiffe betrachtet.

Mit jedem Besuch wurde Cuxhaven mehr eine neue Heimat für uns, aber für die hier lebenden Verwandten waren wir immer Exoten, denn sie verstanden unseren süddeutschen Dialekt nicht oder wollten in nicht verstehen.

Was soll’s, wir haben Urlaub und wollen etwas erleben. Das heißt auf nach Helgoland, zum Whisky kaufen – natürlich zollfrei. Die Butterschifffahrten waren uns zu langweilig geworden. So kauften wir uns Tickets und betraten die „Wappen von Hamburg“`zur Überfahrt. Zwei Stunden dauerte die Reise und beim ersten Mal hatten wir ein schwammiges Gefühl im Bauch. Das Ausbooten war ein Abenteuer für sich und rund um uns ankerten jede Menge Schiffe. Wir fragten uns wegen der vielen Menschen, ob denn tausend andere genau die gleiche Idee hatten wie wir. Nach vier Stunden mit vollen Taschen am Zoll vorbei und mit dem Schiff wieder zurück nach Cuxhoben.

Ein Jahr später waren wir für 14 Tage wieder in “Cux”, eine andere schöne Ferienwohnung war unser Zuhause und wir hatten uns vorgenommen, eine Nacht auf Helgoland zu verbringen.

Meine Frau hatte sich kurz vorher den Mittelfuß gebrochen, konnte aber dank eines Spezialschuhs alles mitmachen. Beim Ausbooten vor Helgoland hoben die Seebären sie ganz vorsichtig ins Börteboot, als wäre sie ein rohes Ei.

Als abends alle Ausflugsschiffe die Insel verlassen hatten, standen wir beide am Kai, schauten hinterher und genossen, dass es ruhig, sehr ruhig geworden war. Sogar die Möwen spazierten ungestört herum. Wir unterhielten uns dann noch mit der Postlerin vor Ort, die auch wusste, in welchem Hotel wir übernachteten und sie meinte: Derzeit ist bei uns eine Stelle frei, magst nicht anfangen?

Die eine Nacht war romantisch und das Frühstück sehr gut. So haben wir noch einen schönen Tag auf der Insel verbracht, die Lange Anna und den Leuchtturm besucht. Viel zu schnell verging die Zeit und auf der Rückfahrt war uns beiden klar, dass wir bestimmt nicht das letzte Mal dort gewesen sind.

© Horst Sammet 2021-08-30

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