von Mymoments
Wir waren schon ganz aufgeregt. Unsere Mutter hatte uns eine Überraschung angekündigt und war kurz weggefahren. Meine Schwester und ich hatten seit einer Woche die Röteln und durften noch nicht hinaus.
Der Schlüssel drehte sich im Schloss. Mutti kam herein und setzte einen Boxerwelpen auf unser Bettenlager im Wohnzimmer. Er sprang übermütig herum, biss in die Bettdecke und schüttelte sie, so fest er konnte, schleckte unsere nackten Zehen ab. Jetzt war uns nicht mehr langweilig und wir spielten den ganzen Nachmittag mit dem Hund. „Wann musst du ihn denn zurückbringen?“ fragte ich irgendwann, um zu erfahren, dass er uns gehört und bei uns bleibt. War das eine Freunde! Wir durften Namen vorschlagen und stimmten dann ab, dass mein Vorschlag am passendsten wäre, so hieß er nun Boris. Unser Vater sagte öfters, er hätte sich immer zu uns zwei Mädchen noch einen Sohn gewünscht, und nun erklärte unsere Mutter Boris lachend zu unserem „kleinen Bruder“. Wer sonst hatte einen Hundebruder? Wir fanden das lustig und erzählten allen davon.
Jeden Morgen stürmte der Hund ins Kinderzimmer und weckte meine Schwester und mich auf, indem er aufs Bett sprang und uns quer übers Gesicht schlabberte- „Wääääh, Boris!!!“ mit einem Kreischen waren wir sofort wach. Und der Hund ließ sich nach vollbrachter Arbeit mit einem tiefen Seufzer auf den Teppich plumpsen.
Bei der ersten gemeinsamen Wanderung am Schneeberg entdeckte er plattgefahrene Kröten als Kaugummiersatz. Er sprang in jede Pfütze und rannte hin und her, bis er nicht mehr konnte. Unser Vater gab seinen schweren Rucksack unserer Mutter und trug den (noch schwereren) Hund bis zum Auto. Wenn wir von der Schule kamen, wartete Boris schon auf uns. Im Sommer sah man ihn schon von weitem, er saß auf der Bank am Balkon, stützte seine Vorderpfoten auf die Brüstung und hielt Ausschau. Kamen wir zu spät, jaulte er wie ein Wolf, das hörte man schon von weitem. In der ersten Zeit hatte er auch allerhand kaputt gemacht, Muttis Schuhe und seine Lederleine angeknabbert und noch einiges mehr. So kam unsere Mutter auf die Idee, Boris mit der Leine an der Heizung anzuhängen (was wir gar nicht gut fanden!). Sie machte das dann nie mehr, denn der Hund hatte sich in seiner Angst angemacht und mit seinen Pfoten die Hundesch…. dann schön tief in den sonnengelben Spannteppich „eingearbeitet“. Er musste dann ausgetauscht werden- das war viel teurer als alles andere, was der Hund jemals angeknabbert hatte…
In die Kronenzeitung kam er auch einmal, sogar mit Foto. Ich hatte als 13jährige an einem Tiergeschichtenwettbewerb teilgenommen und 1000 Schilling Honorar sowie Hundefutter für ein Jahr damit gewonnen. So waren Boris und ich eine Zeitlang die Stars in der Familie, dauernd läutete das Telefon und wir wurden gefragt, ob das in der Zeitung „unser“ Boris wäre. Ich war so stolz!
Boris war ein lieber und gutmütiger Hund, er ließ sich wirklich alles von uns gefallen und suchte stets unsere Nähe. Boris, Bruder, unvergessen :-)
© Mymoments 2019-04-11