Kleines Dreiländereck, Ode an die Freiheit

Daniela Adler

von Daniela Adler

Story

Ich bin ein Kind der 80er und 90er. Aufgewachsen im Dreiländereck Österreich, Ungarn und Slowenien. Das ich in einem Grenzgebiet lebe, wurde mir schon früh klar. Meine Großmutter ist noch in Ungarn geboren. Die Arbeiter, die beim Hausbauen meiner Eltern geholfen haben, waren Slowenen. Jeden Sonntag fuhren viele, sogenannte Tanktouristen, über die Grenze, um Benzin zu tanken und stangenweise Zigaretten zu kaufen. Diese Fahrten hatten für mich als Kind immer etwas Unheimliches und doch auch etwas Reizvolles. Rüber zu fahren, dort, wo man eigentlich gar nicht sein durfte, geschweige denn wohnen wollte. Ich erinnere mich gut an das Gefühl an der Grenze zu sein. Langes Warten im Auto, stilles und betretenes Schweigen aller, Grenzbeamte mit eiserner Miene, Passkontrollen. Für mich war das immer – ich benenne es höflich – sehr befremdlich. Grenzen, die Menschen auseinander dividieren, kategorisieren und bewerten. Wirklich, es war immer ein ungutes Gefühl.

1989, 10 Jahre nach meiner Geburt ist der Eiserne Vorhang gefallen. Die Menschen haben gejubelt, endlich kein Stacheldraht mehr. In der Schule hatten wir plötzlich die Möglichkeit Ungarisch als Freifach zu wählen, was ich auch tat. Die drei Länder sind Jahr für Jahr mehr und mehr zusammen gewachsen. Durch die Beitritte zur EU, durch EUREGIO, durch INTERREG, durch bilaterale Projekte, durch die Möglichkeit zusammenzuarbeiten, durch die Möglichkeit der Begegnung und Öffnung.

2006 kam ich nach meinem Studium wieder nach Hause zurück. Ich begann meine Heimat am Dreiländereck neu zu erkunden und kennen zu lernen. Endlich das Gefühl zu haben, es gibt sie nicht mehr, die Grenze. Die Straßen und Radwege waren ausgebaut. Es war möglich, an einem Tag, mit dem Bike am Grünen Band drei Länder zu befahren. Ich fand das alles großartig. Es war so selbstverständlich. Der europäische Gedanke war endlich auch in meiner Region angekommen. Ich weiß noch, als ich mit meinem Kind das erste Mal nach Slowenien fuhr. Wir sind einfach ohne Stehenbleiben rüber gefahren. Für meinen Sohn war das normal. Als ich ihm später erzählte, wie ich mich als Kind gefühlt habe, hat er mich nicht verstanden. Das war wunderbar – eine Freude!

2020 kam COVID19. Jetzt werden Grenzen im Namen der Gesundheit wieder ganz selbstverständlich geschlossen. Nicht nur räumlich, sondern auch im Kopf. Jetzt heißt es als Gesellschaft wachsam zu sein. Dass diese Beschränkungen nicht wieder Normalität werden. Dass nicht jener Nationalismus salonfähig wird, der den Frieden gefährdet.

Ich möchte, dass mein Sohn in einem weltoffenen und toleranten Europa aufwächst. Ein Europa der Freiheit, wo Grenzen Geschichte sind. Wo sich Menschen freudvoll begegnen, wo Herkunft und Geschlecht keine Rolle spielen. Ohne diesem beklemmenden lähmenden Gefühl, das ich noch kenne.

© Daniela Adler 2020-03-28

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