Seit einigen Tagen schon, war ich nicht mehr durch den Garten meiner Mutter gewandelt, umso mehr freute ich mich heute auf den mittäglichen Rundgang. Welch strahlender Tag, die Sonne stand in hellster Pracht am Himmel, als ich langsam am Wegerl nach hinten schlenderte. Es war mir nicht ganz wohl, da mein Bauch mich zurzeit wieder etwas heftiger quält.
Durch die Sonne geblendet, lief ich zuallererst in ein Spinnennetz, das die lieben Krabbeltiere oft und leidenschaftlich gerne, zwischen dem Schneeballstrauch und der hohen Zypresse spinnen. Bähhhhhhh, besonders lustig, wenn man sehr lange Haare hat.
Etwas umfuchtelnd, mich abputzend und befreiend, lief ich weiter nach Hinten zum Beet mit den herrlichen Brombeeren, neben der Efeuhecke. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass es keine reifen FrĂĽchte zu ernten gab, so schlenderte ich weiter ums Eck.
Die folgenden Sekunden liefen wie in Zeitlupe ab und ich würde sie so gerne ausblenden oder löschen, denn ich musste abrupt abbremsen und blieb dann wie angewurzelt, nahezu erstarrt stehen, als sich mir ein Bild des Grauens darbot. Die strahlenden Sonnenstrahlen, die mich eben noch so wärmend einhüllten, wichen einer inneren Eiseskälte, die mir das Blut in den Adern fast gefrieren ließ, denn da lagst Du – einer meiner herzigen, kleinen Igel-Lieblinge, mit dunklem Schnauzerl – mausetot!
Offensichtlich wurdest Du angefallen, möglicherweise von einem der ĂĽblen Marder, die ihr Unwesen in der Gegend treiben oder sogar einem Dachs, wie ich später recherchierte, denn Dein Bäuchlein war seitlich völlig aufgerissen und Deine Innereien quollen heraus. Ein so grausames Bild, das mir nicht nur kurzzeitig den Atem nahm, sondern auch die Tränen in die Augen trieb und die Ăśbelkeit zunehmen lieĂź. Unfähig irgendetwas zu tun, lief ich ins Haus und berichtete, meiner telefonierenden Frau Mama, ganz aufgelöst was los sei. „Oh nein!“, rief sie, lief sofort zum Gartenhaus, schnappte den tollen Spaten, welchen ich ihr geschenkt hatte, nachdem ich mein Gärtchen aufgab und fing kraftvoll an, hinten bei der Eibe etwas Erde auszuheben.
Als das Loch tief genug schien, rannte sie hinüber ins Eckchen, schob Dich armes Geschöpf, in Sekundenschnelle auf eine Schaufel und übergab Dich Mutter Erde. Ein Tränenduett. Wie in Trance stand ich daneben und beobachtete das traurige Geschehen.
So schnell kann es gehen, dass Lebensatem ausgehaucht wird und ein Herzchen aufhört zu schlagen … Meine Gedanken ĂĽberschlugen sich kurz und einige davon wanderten zu manch geliebtem, menschlichen Wesen, das bis heute den wahren Sinn des Lebens wohl leider nicht wirklich zu verstehen scheint … Als ich mich dann etwas gefangen hatte, holte ich eine rote Rose und legte sie unter der Eibe nieder …
Eben war ich total berĂĽhrt, als einer der stachligen Freunde mir direkt vor die FĂĽĂźe lief und neugierig sein Schnäuzchen in die Luft streckte, während ich in den abendlichen Garten blickte. Welch groĂźe Freude, dass DU lebst …
© RENAvonRAVENSTEIN 2020-08-08