von Franz Brunner
Ich freu‘ mich ja so, endlich bin ich tot. Ein richtig blödes Missgeschick, aber ich versuche die Sache positiv zu sehen. Kein Herumärgern mehr mit bösen Nachbarn, fiesen Arbeitskollegen, dem Finanzamt oder der Kirche, die können mich jetzt alle mal am … Friedhof besuchen.
Und im Himmel sind ja nur mehr die Guten, da herrscht Harmonie pur, da gibt’s keinen Zoff. Dachte ich, denn schon wenige Stunden nach meinem Dahinscheiden werde ich eines Besseren belehrt. Petrus hat Dienst an der Pforte und zudem schlechte Laune, unhimmlisch schlechte Laune. Ausgerechnet heute, wo ich selbst so gut drauf bin. Genau so habe ich sie mir vorgestellt, die Pforte zum Paradies. Pompös und uneinnehmbar. Ich brauche ordentlich Kraft, den Türklopfer zu bewegen. Was machen da eigentlich kleine Kinder? Ach ja, jetzt sehe ich’s, ganz unten ist noch ein zartes Klöpferchen, aus meiner Warte kaum zu sehen. Da sind Spinnweben dran, beruhigt mich irgendwie, schön für die Kleinen. Jetzt tut sich was, Zeit wird’s aber auch.
Das Eichentor knarrt, ein untersetzter Greis mit Bäuchlein mustert mich skeptisch von oben bis unten, dann schnauzt mich der Typ grußlos an: „Was willst du?“ Schlagartig war’s vorbei mit meiner Euphorie, zaghaft antworte ich: „Um Einlass hätte ich gebeten, wenn’s recht ist.“ Seiner Miene entnehme ich, dass es nicht recht ist, trotzdem stelle ich mich höflich vor: „Ich bin’s, der vom Verkehrsunfall. Du weißt schon, der Unglücksrabe, der bei seiner ersten Demo vom Traktor überrollt wurde. Bin ich zu früh gekommen?“
Er scrollt auf seiner Liste rauf und runter, runzelt die Stirn. „Du stehst da nicht drauf, ich glaube, du bist hier falsch. Versuch’s mal eine Etage tiefer.“ Dann will der Typ doch glatt das Monster von Tür schließen, mein linker Fuß kam ihm allerdings zuvor. „Das meinst du jetzt aber nicht ernst, schickst du mich tatsächlich in die Hölle?“
Petrus zuckt mit den Achseln: „Wenn du nicht auf MEINER Liste stehst und du dir sicher bist, dass du tot bist, dann bist du auf LUZIFERS Liste. Sorry, aber das wird seinen Grund haben.“ Und dann hüpft er mir derart auf die Zehen, dass ich meinen Fuß gerne aus dem Türspalt zurückziehe. Meine Reaktion ist nicht angetan, um Petrus zu erweichen. „Du alter Sack, lass mich gefälligst rein!“ Ja, das war schon ziemlich laut. Und strategisch falsch, denn die Tür bleibt verschlossen.
Meine Liebste rüttelt mich an den Schultern, rettet mich mit selbstlosem Einsatz aus meinem Albtraum: „Hey, wach endlich auf!“ Sie starrt mich verwirrt an, ich starre mit schreckensbleichem Gesicht zurück, atme tief durch und falle ihr erleichtert um den Hals: „Danke fürs Reanimieren!“ Sie küsst mich, dreht sich um und schläft gleich drauf wieder ein.
Bei mir ist an Schlaf nicht mehr zu denken, ich sehe mich im Geiste an unendlich vielen Umweltdemos teilnehmen, auf Kunststoffe und vor allem auf Flugreisen verzichten, denn ganz offensichtlich brauche ich Bonus-Punkte. Und um Traktoren mache ich künftig einen großen Bogen.
© Franz Brunner 2021-05-03