Köln Hbf – Bahnsteig 1 und Dom

Klaus Schedler

von Klaus Schedler

Story

Es war immer wieder ein Abenteuer, wenn ich im Kindergartenalter meinen Vater auf einer Dienstreise begleiten durfte. Schon die Fahrt 1957 im Firmen-VW auf der Autobahn war toll und diesmal ging es nach Köln. Natürlich zeigte er mir den Kölner Dom und ich war zwar von dem Gebäude schwer beeindruckt. Toll fand ich aber auch die “Hohenzollernbrücke” unmittelbar daneben: Eine riesige Stahlkonstruktion mit ständig laut dröhnendem Eisenbahnverkehr, die in großer Höhe den hier schon mächtig breiten Rhein überspannte und natürlich versuchte ich wie alle Kinder, von oben in einen Lastkahn zu spucken.

Im Laufe meines Lebens habe ich viele Male Köln besucht und einmal, es dürfte 2001 gewesen sein, war mein damaliger Chor einer Einladung nach Köln gefolgt. Wir sangen zwar nicht im Dom, doch unser Kölner Dirigent hatte die Erlaubnis, die alte Querhausorgel zu spielen. Nach seinem Konzert gab es eine ausführliche Dombesichtigung, die uns in alle möglichen und unmöglichen Winkel des Gotteshauses führte.

Zu meiner Verblüffung stellte ich fest, dass große Teile des Dachstuhls als Eisenkonstruktion ausgeführt waren, die erstaunlicherweise sogar in der derselben lindgrünen Farbe gestrichen war, wie die “Hohenzollernbrücke”. Belustigt stellte ich fest: „Anscheinend haben die Stahlbauschlosser, nachdem sie mit der Brücke fertig waren, gedacht, dass wenn sie schon mal dabei sind, sie dann doch auch gleich den Dom fertigbauen können.“

An dieser Geschichte könnte „mehr dran“ sein, als gedacht. Tatsache ist, dass man 1248 mit dem Bau des Domes begonnen hatte, der aber erst im Jahr 1880 fertiggestellt wurde. Über die Jahrhunderte hatten sich die Kölner an ihre riesige Dombaustelle gewöhnt, ja sie verstiegen sich in den Aberglauben, dass die Welt unterginge, sollte er jemals fertig werden.

Nachdem das Rheinland 1815 an Preußen ging, war das DIE Gelegenheit, den Kölnern zu zeigen, dass für evangelische Preußen so ein römischer Aberglaube nicht gelte. Zunächst aber brachte man Ordnung in das diffuse Eisenbahnwesen der Stadt, weil jede Eisenbahngesellschaft glaubte, einen eigenen Bahnhof haben zu müssen. Ein „Centralbahnbof“ musste her, der natürlich auch die rechtsrheinischen Linien bedienen sollte und dazu brauchte man eine Brücke. Beides wurde 1859 eröffnet, wobei der Bahnhof pikanterweise fast unmittelbar neben dem Dom („Bahnsteig1“) lag. Tatsächlich wäre es also möglich gewesen, dass die Bauleute nach Abschluss ihrer Arbeit am Tragwerk und der Unterkonstruktion weitergearbeitet haben und dann alles von Steinmetzen fertiggestellt wurde. Angeblich entstand so im Dom bis zum Bau des Eiffelturms die weltgrößte Stahlkonstruktion.

Jedenfalls ist an meinem Gedankengengang eines falsch: Die „Hohenzollernbrücke“ ist nämlich erst 1911 in Betrieb gegangen. Ihre Vorgängerin, die „Dombrücke“, war schon bald zu klein geworden, doch war sie ebenfalls eine Stahlbrücke. Alles könnte also fast so gewesen sein.

© Klaus Schedler 2021-10-28