Komm, komm her – hadi gel!

Andrea Plank

von Andrea Plank

Story

Noch nie habe ich mir so gewĂŒnscht, Stöckelschuhe zu besitzen. Könnte ich auch noch mit ihnen laufen, zauberte ich jetzt die „Ode an die Einsamkeit in Flughafenhallen“ ins Gewölbe, das beinahe die Wolken kĂŒsst. Fast scheint der verlassene Beamte froh, Gesellschaft zu bekommen. Um ihm eine kleine Freude zu machen, laufe ich in die falsche Richtung.

„Weiter, bitte weitergehen, hier gibt’s nichts zu sehen!“, murmle ich im Flieger vor mich hin. Hypnotisch verteidige ich mein unbenachbartes Königinnenreich, nennt mich die Herrscherin der drei desinfizierten Throne. Ich rutsche in meinem Reich in die Mitte und ĂŒberblicke meine LĂ€ndereien. Alles halbleer, nur im Westen regiert ein Triumvirat – einer von ihnen wird bald auf eigene Faust in ein weniger dicht besiedeltes Gebiet vorstoßen.

Ein Testergebnis, das nur zwei Noten kennt. Dauerbeschallt von Durchsagen in Sachen Abstand, Armbeugen, Maskerade. Dergestalt ist die Abreise aus einem Land, in dem ich umstĂ€ndehalber auch noch nach eineinhalb Jahren eine Fremde bin. Nicht ganz, natĂŒrlich, aber doch nicht so nicht, wie ich mir das vorgestellt habe. Freilich kann ich lange auch die Vorteile schĂ€tzen: Ohne schlechtes Gewissen zu Hause bleiben, Klopapierburgen bauen, den Alkoholkonsum steigern.

Doch es zehrt. Langsam verdorrt meine große Liebe: Wörter. Eigene. Oder andere. Mein MitteilungsbedĂŒrfnis schrumpft quasi exponentiell zur aufkeimenden Detailverliebtheit der Restlichen. Und was nicht raus kann, fĂ€hrt bald Karussell. Schon langweilen mich meine eigenen Gedanken. Freilich gibt es auch Tage, an denen ich nach einer raritĂ€ren Tanzattacke nĂ€chtens laut gackernd am Balkon rauche, weil mir doch einmal etwas Neues eingefallen ist.

In diesen anderen Zustand trudelt eine Nachricht. „Komm. Komm her.“ Mein bester Freund. Aus dem Land, in das mich meine erste Reise nach dem minutiös geplanten Hingang ins einvernehmlich gelöste DienstverhĂ€ltnis fĂŒhrte. Dort, wo der Bosporus noch heute gnĂ€dig darĂŒber schweigt, dass ich auf ihm Rotz und Wasser vergossen habe, als mir meine Freiheit so richtig bewusst wurde.

FĂŒnf Umarmungen in vierzehn Monaten werden mir schon rausgerutscht sein. Hastig, aber bittersĂŒĂŸ. Haut spĂŒren, welch unangeahnter Luxus. Also. Sollte das nicht reichen? Ist es das jetzt wert? Reisen, Recherchen, Rennereien, Risiko?

Das „ja“ braucht ein paar Tage, um die gestrichen vollen Hosen zum AuslĂŒften rauszuhĂ€ngen. Die Lust auf reden ohne nachdenken, verstehen ohne Worte, gemeinsame Rituale, TrĂ€nen lachen, obsiegen. Im Dösen kurz vor der Landung erlaube ich der Vorfreude erstmals rauszukommen. Die junge Dame zwei Sitze weiter beschließt auch loszulassen. Grandiose Idee ĂŒbrigens, die KotztĂŒten neuerdings mit Rand zum Abreißen zu designen. So landet auch der dritte Schwall auf der Mutter und mir bleibt nur mehr FeuchttĂŒcher zu reichen. Alles in allem nehme ich das unbefleckt als gutes Omen. So optimistisch war ich schon lange nicht mehr.

© Andrea Plank 2021-05-21

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