Kommt mit, heute lernt ihr was!

Heinrich

von Heinrich

Story

Jetzt hat es mir den Geduldsfaden schon beinahe überdehnt, weil es konnte doch nicht ihr Ernst sein, ständig nur in irgendeinen Bildschirm hineinzugaffen!

„Zieht euch an, wir gehen in die Natur. Damit ihr einmal etwas Sinnvolles lernt. Etwas über das wahre Leben!“ Die Kinder zogen sich widerwillig an, die Gattin klickte das Brustgeschirr vom Vierbeiner zurecht und mich packte der Ehrgeiz. Früher hat mir mein Opa die Natur nahegebracht, und nun war ich an der Reihe, den Kindern die Fauna und Flora zu erläutern.

Gibt es etwas Schöneres als die Tierwelt zu entdecken, die Käfer, die Lurche und vielleicht interessiert sie auch die kleine Blattkunde! Wer weiß heute noch wie eine Kornblume aussieht? Ausser vielleicht ein paar Politiker. Die kennen sich dafür weniger bei Lockvögel aus! Bei den meisten reicht es eventuell noch für das Gänseblümchen und den Löwenzahn, aber dann ist schon Schicht im Schacht. Deshalb sollten meine Kinder von meinem Wissen profitieren.

Also ging es ab in die Au. Dort findet man Dinge, die registriert man erst, wenn man sie sich bewusst macht. Gelangweilt schlenderte der Nachwuchs durch den Mischwald. „Naja Freunde, wenn einmal kein Bildschirm flimmert und Dr. Google ausgefallen ist, müsst ihr euch halt an Dr. Papa halten!“

Kaum gesagt, rückte bereits meine Tochter mit einem Blatt heran. „Wie heißt denn das?“ „Ja – ahhh. Das müsste die Haselnuss sein.“ „Na das ist sicher keine Haselnuss, weil das Blatt hat ja gar keine Zacken“, wollte sich Mama in meinen Naturkundeunterricht einmischen. Da ist zuerst einmal Standhaftigkeit angesagt, weil wenn du Kindern gegenüber eine Unsicherheit zeigst, glauben sie vielleicht, dass du dich gar nicht wirklich auskennt.

„Das ist sicher die neue Art der Haselnuss!“, hat alles ins Lot gebracht. Mama quittierte es achselzuckend. „Und der Käfer da unten. Wie heißt der?“ „Ja, den hab ich schon einmal gesehen. Das muss ein Schwarzkäfer sein!““Na klar. Ein schwarzer Käfer heißt Schwarzkäfer und ein roter Rotkäfer, oder wie?“ Wieder glänzte der Sohnemann mit Skepsis. Nicht, dass er meine Weisheiten einfach als gegeben ansehen könnte!

„Vielleicht eher ein Mistkäfer! Weil der so schillert.“ Natürlich hätte das sein können, aber ein Kind durfte, in diesem Fall, keinesfalls recht haben. Alle eine Frage der Autorität. „Sicher nicht. Der ist ein Schwarzkäfer!“ Da darf nicht die kleinste Unsicherheit mitschwingen. „Das ist ein Kastanienblatt oder?“, wollte er mich weiter testen. Kurz und fachgerecht geprüft – dann ein „Das ist ein Ahornblatt, mein Sohn!“ aus tiefster Überzeugung.

Jetzt hab ich dann noch selbst einige Blätter durchgeschaut und Sträucher und Blumen, aber bis auf die Gänseblümchen, die ich auf einer Lichtung entdeckt hatte, war nichts dabei, das ich erkannt hätte. Hmmm … das Wissen von früher schlummert wohl in irgendwelchen Zellen, auf die ich keinen Zugriff habe. Da nahm ich das Smartphon heraus und googelte das ganze Grünzeug quer durch das World Wide Web.

© Heinrich 2020-05-28

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