Konfrontation Nr. 2

Evelyn Haude

von Evelyn Haude

Story

„Das reicht schon, danke Sara.“, mischt sich Herr Minino wieder ein, „Omar, was sagst du dazu?“ „Das war doch alles nur ein Scherz! Wieso interessiert dich das überhaupt Sara? Dich sollte das doch sowieso nicht stören!“, konfrontiert Omar mich. Mist, was sage ich dazu? Weißt du was inneres Selbst, soll Omar doch wissen, dass ich queer bin! „Ich bin lesbisch!“, schreie ich ihn an. So, jetzt sind die Worte raus und ich kann sie nicht zurücknehmen. Ich schaue Omar gespannt an und warte auf seine Reaktion. Was wird er wohl sagen, machen, denken? Zuerst starrt mich Omar einfach nur an, doch dann lacht er los und flüstert mir das Wort „Schwuchtel“ zu. Was sagt er da? Schwuchtel – als eine Beleidigung für Schwule? Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Nein, das reicht! Heute bin ich die Erste, die aus dem Raum stürmt. Ich renne durch den Flur, biege links ab, dann rechts, renne durch die Tür der Damentoiletten und direkt in die erste Kabine. Ich schließe die Tür ab und setze mich mit einem „Plumps“ auf den Klodeckel. Was war das denn? Wieso habe ich Omar gerade gesagt, dass ich lesbisch bin? Omar – von dem ich wusste, dass er homophob ist! Was wollte ich ihm damit beweisen? Was wollte ich mir selbst damit beweisen? Natürlich hat Omar so reagiert. Wieso habe ich überhaupt in Betracht gezogen, dass er anders reagiert? Ich bin dumm, so dumm! Omar wird das doch nicht für sich selbst behalten, schließlich ist er das größte Breitmaul der Schule! Was habe ich mir nur dabei gedacht? Gleich werden es alle wissen!

Ich ziehe meine Knie näher zu mir heran, schließe meine Arme um meine Beine und weine die lange zurückgehaltenen Tränen. Ich weine und weine, bis irgendwann keine Tränen mehr kommen. Am liebsten würde ich einfach genau wie gestern nach Hause radeln, doch ich erinnere mich daran, dass Schwänzen nicht gut ist. Außerdem würde Papa sicher hellhörig werden, wenn ich ihm ein zweites Mal in zwei Tagen sage, dass ganz viel Unterricht ausgefallen ist. Er braucht echt nicht zu erfahren, dass ich geschwänzt habe. Ich wische mir also kurz die Tränen aus dem Gesicht und stehe widerwillig auf. Beim Hinausgehen gucke ich noch kurz in den Spiegel. Menno, ich sehe schon wieder aus wie ein Panda. Vielleicht sollte ich die Mascara einfach ganz weglassen. Mein Aussehen ignorierend trete ich aus der Damentoilette und eh, wo habe ich jetzt meinen Rucksack gelassen? Als ich vom Musikraum zum Büro von Herrn Minino gegangen bin, hatte ich meinen Rucksack auf. Das heißt, ich habe meinen Rucksack in seinem Büro vergessen. Oh Mann, ich habe jetzt echt keine Lust mit Herrn Minino über meine Gefühle reden zu müssen. Dann gehe ich einfach ohne Tasche zum Unterricht. Das muss gut genug sein. Besser als schwänzen ist es allemal. Die dritte Stunde fängt gleich an, also mache ich mich auf den Weg zum Chemie-Raum 1. 

© Evelyn Haude 2023-09-01

Genres
Romane & Erzählungen