König Artus

Collin Nichol

von Collin Nichol

Story

Es war Heiligabend vor zwei Jahren. Ich lag in der Früh im Bett und bereitete mich seelisch auf die nächsten Tage vor: Hektik, purer Stress, viel Essen und viel Familie. Juhuuu.
Ich war wiedermal auf unserer bereits bekannten App unterwegs und schrieb mit Artus. Er war absolut kein Weihnachtsmensch. Es erinnerte ihn nur daran, dass er absolut keinen Kontakt zu seiner reichen, adeligen Familie haben wollte. Nur zu seiner Mutter. Für eine oberflächliche App sehr tiefgründige Gespräche um diese Uhrzeit. Aber vielleicht lag es einfach auch an Weihnachten.

Ich fuhr über die Feiertage zu meinen Eltern aufs Land und kehrte am Abend des zweiten Weihnachtsfeiertages wieder zurück in die City.
Artus war wieder online und wir fingen an zu chatten. Kurzum beschloss ich ihm einen Besuch abzustatten, da er nicht weit von mir entfernt wohnte. Er meinte zwar, dass er ein bisschen betrunken war, aber gut, es war ja Weihnachten.
Ich kam bei ihm in der Wohnung an und musste feststellen, dass er wohl ein bisschen untertrieben hatte. Er war mehr als nur ein bisschen betrunken. Als er aufstand, um mir ein Glas Wein zu offerieren, hatte ich Angst, er würde zu Boden fallen. Als er mich küssen wollte, schob ich ihn nur beiseite und meinte, das sei heute keine gute Idee.
Bald verließ ich seine Wohnung und fragte mich nur, wofür das nun wieder gut gewesen war.

Lange Zeit hörte ich nichts von Artus und dachte auch nicht mehr an ihn.
Eines Tages, zwei Jahre später, fragte mich Bree, ob wir nicht einmal in dem neuen Café am Parkrand brunchen gehen wollten. Brunchen mit Bree – was gab es Besseres? Wir gingen in das Café und dort entdeckte ich Artus, der anscheinend der Besitzer war. Ich schluckte, aber tat ganz normal. Immerhin war ja nicht wirklich etwas passiert. Er bediente uns sehr freundlich und Bree erzählte mir ganz begeistert von ihrem Besuch bei der Pariser Fashionweek.

Ein paar Tage später schrieb mich Artus wieder auf der App an. Ich war sehr verwundert. Er hatte mich anscheinend beim Brunch erkannt und machte mir Komplimente, wie gut ich aussah und wie sehr ich ihm gefiel. Er schrieb Dinge wie „Meine Libido stieg auf 200, als ich dich sah“ oder „Ich will dich daten, mein Lieber.“ Womit ich nicht umgehen konnte war: „Ich will, dass du mich in meinem Café fickst“.
Das war mir eindeutig zu viel. Ich versuchte ihm klarzumachen, dass ich derzeit nicht besondere Lust auf Dating hatte, vor allem wegen meiner vielen weniger guten Erfahrungen. Er sei anders, schrieb er. Ich stimmte also zu, mit ihm etwas trinken zu gehen. Und da ich der Meinung bin, dass Ehrlichkeit immer noch am wichtigsten ist, fügte ich hinzu, dass ich ihn nett fand, mehr aber auch nicht und dass ich das einfach von vornherein klarstellen wollte.

Man kann nun über mich sagen, ich sei eine cold hearted bitch oder ein Herzensbrecher. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man ehrlich miteinander sein sollte. Und wenn man Dinge höflich formuliert, muss man nicht zwingend ein Arschloch sein.

Artus sah das anscheinend anders. Von ihm hörte ich nichts mehr.

© Collin Nichol 2023-09-12

Genres
Romane & Erzählungen, Biografien
Stimmung
Emotional, Reflektierend