König Ottokars Glück

Christian Mayerhofer

von Christian Mayerhofer

Story

„Nun, haben wir es euch recht gemacht? Vor Ungarn mögt ihr künftig ruhig schlafen; wir haben sie gejagt! Wie hieß der Platz, wo wir sie jagten? Ich meine den Platz des letzten Reiterangriffs, der ganz entschied.“ – „Man nennt den Ort Marchegg, weil sich in der Ecke dort die March wendet!“ – „Marchegg, so soll man mir die Stadt auch nennen, die ich dort bauen will zu des Sieges Gedächtnis! Marchegg soll sein der Markstein meines Glücks; just dort in der Ecke der March. Mit Köln, Wien, London und Paris soll euer Prag auch in einer Reihe stehen! Die Länder, die euch sonst herrisch gehöhnt, ich habe sie bezwungen. In alle Ferne trug ich Böhmens Namen, aus allen Fernen tönt zurück sein Ruhm.“

< Foto: Burg von Kittsee (Titelfoto); um 1271 ließ Ottokar Przemysl die Burg, die damals eine Grenzfestung gegen Österreich war, im Kampf um das Erbe der Babenberger, zerstören.

„Erlauchte Frau und Königin Margarethe, von Österreich Herzogin und Steiermark, des weiland römischen Königs Heinrich Witwe, derzeit vermählt mit Böhmens hohem Herrn, wer führt das Wort in Eurer Gnaden Sache?“ – „Ich selbst! Allein will ich des Zornes Makel tragen, reden, so wie leiden, ich allein!“ Zweiter Aufzug, Ottokar: „Mein Herr Gesandter, die Antwort ist denn auch nicht gar so leicht! Ich bin ein König über viele Länder, zu viel beinahe für eines Menschen Kraft. Nun soll ich mich mit der Sorge belasten für noch ein Land und sitzen mit im Rat. Soll ich das Mark von meinem reichen Erbland setzen auf so ein trügerisches Spiel?“ (Zitate aus „König Ottokars Glück und Ende“ von Franz Grillparzer, erschienen 1825) Mitte des ersten Jahrtausends wanderten Slawen von jenseits der Karpaten in den Donauraum ein. Die Bezeichnung: Slawen stammt wahrscheinlich vom slawischen Wort „slovo“, was auch das Wort bedeutet; im Gegensatz zu „nemec“, der Deutsche, so wie der Stumme oder der, den sie nicht verstehen. Slowenen, Slawonen, Slowaken oder Böhmen wie die Przemysliden (Wenzel, Ottokar) haben die gleichen Wurzeln. Im 9. Jahrhundert wanderten die Ungarn in Europa vom Ural ein und trennten dadurch das slawische Siedlungsgebiet. Heute werden Slowenien und die Slowakei oft von „Nicht-Slawen“ verwechselt, da sich zum Beispiel die Bezeichnung deren Länder nur durch einen anderen Vokal unterscheidet. Im 13. Jahrhundert ist die kleine Mark Österreich wahrscheinlich noch nicht als Nation zu bezeichnen; der römisch-deutsche König Rudolf (I.) von Habsburg ist Schwabe; der Landesherr von Österreich ist damals der König Böhmens, Ottokar (später als Lehen von Rudolf). Marchegg war wahrscheinlich wirklich der Markstein seines Glücks, Dürnkrut sein politischer, militärischer und physischer Untergang. Sein Trugschluss in Bezug zu seinen familiären und ständischen Banden sowie das Vertrauen auf das ritterliche Weltbild und Moral besiegelten sein Ende. Heute sind die Völker im Donauraum assimiliert. Darüber hinaus weisen sie eine sehr hohe genetische Übereinstimmung auf. Obwohl der Mythos Ottokar durch die Legende und das Narrativ der Habsburger überhöht scheint, habe ich den Eindruck, dass wir, durch den Einfluss der heutigen Machthaber, besser über die Ereignisse des 13. Jahrhunderts Bescheid wissen, als beispielsweise im aktuellen Krieg in der Ukraine …

© Christian Mayerhofer 2025-07-22

Genres
Anthologien
Hashtags