von Sydneysider47
Wenn Leute gestorben sind, können sie sich kurz nach dem Tod bei ihren Hinterbliebenen bemerkbar machen. Nicht jeder Verstorbene „meldet“ sich bei den Hinterbliebenen, aber manche schon. Das lernen Personen, die eine Ausbildung zur Sterbebegleiterin oder zum Sterbebegleiter machen. Solch eine Zusatzqualifikation können beispielsweise Ergotherapeuten, aber auch Leute, die in der Pflege arbeiten, erwerben.
Eine Freundin, die Sterbebegleiterin ist, erzählte mir vor Jahren von einigen Menschen, die sie begleitet hatte. Sie nannte mir deren Namen nicht, denn das darf sie nicht. Sie geht ja mit der Sterbebegleitung auch eine Schweigeverpflichtung ein. Eine Geschichte ist mir in Erinnerung geblieben. Ein Mann war sterbenskrank und blickte dem Tod entgegen. Seiner Frau versprach er, sich nach dem Tod zu melden.
Als er gestorben war, trauerte sie – aber sie achtete auch auf Zeichen. Ein Zeichen war, dass es im Telefon auf einmal ein Rauschen gab bei manchen Anrufen. Nicht bei allen, aber es kam vor. Man prüfte, ob das Telefon kaputt war, aber so war es nicht. Die trauernde Frau sprach mit meiner Freundin – und beide kamen überein, dass dieses Rauschen eine Nachricht des verstorbenen Mannes war, der seiner Gattin mitteilen wollte, dass es ihm dort, wo er war, gut ginge. Von da an freute sie sich auf dieses Rauschen. Sie kam besser mit ihrer Trauer klar, denn sie wusste: Ihr Mann ist irgendwo und schickt ihr Zeichen. Irgendwann hörte das Rauschen während der Telefonate auf.
Solch eine Botschaft habe auch ich bekommen, ebenso einige Verwandte. Als meine Schwester S vor einigen Jahren an Krebs verstarb, waren wir alle sehr traurig. Es gab einiges zu tun. Die Beerdigung organisieren, Nachlass regeln und so weiter. Merkwürdig war allerdings, dass nach dem Tod von S im Telefon unserer Mutter ein Rauschen zu hören war. Nicht bei jedem Gespräch, das unsere Mutter führte, aber das Rauschen war immer wieder da. Es war nicht so laut, dass man die Stimme des Gesprächspartners am Telefon nicht mehr verstehen konnte – aber es war da und es störte. Ich erzählte das meiner Freundin, der Sterbebegleiterin. Sie sagte mir: „Das ist bestimmt S, sie will euch ein Zeichen geben, dass es ihr dort, wo sie jetzt ist, gut geht. Dass ihr euch keine Sorgen machen sollt!“ Das klang merkwürdig – wir trauerten ja noch und irgendwie war das Rauschen etwas gruselig, sonderbar und unheimlich.
Meinen Verwandten berichtete ich davon. Sie fanden die Begründung für das Rauschen einerseits unheimlich, aber auch tröstlich. Irgendwann hörte dieses Rauschen auf. Das Telefon unserer Mutter funktionierte wieder normal – es war ja nie kaputt gewesen.
S, die viel zu früh von uns gegangen ist, erscheint mir ab und zu im Traum. Es sind schöne, Mut machende Träume. Wir reden miteinander, und ich habe den Eindruck, dass es ihr gut geht. Ich habe festgestellt, dass ich mit diesen Träumen besser umgehen kann als mit einem Rauschen im Telefon.
© Sydneysider47 2025-05-12