Kontraste auf Sand

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von thewrittenunwritten

Story

Plötzlich tropfte die Schminke des Clowns zu seinem Erstaunen nicht mehr. „Heißes in Heißem ist einander nicht mehr heiß“, meinte der Teemeister. „Wahre Worte, der Körper kühlt ab“, reagierte der Seiltänzer und guckte in sein Teeglas, während der Jongleur drei Datteln in sechs teilte, sie verteilte und ihre Kerne zum Jonglieren wieder in seine Hintertaschen steckte. „Ich besorge mir bald auch eine Teekanne und mache mir die Hitze zu eigen, für meine Schminke“, spaßte der Clown. „Alles, auch die Hitze, verschwindet in Gleichheit, wenn der Kontrast aufgelöst ist“, erklärte der Beduine mit dem Tee und schenkte dem Clown nochmal ein. Sie erzählten von den Sternschnuppen und von dem Zirkus in der Wüste, die den Teemeister begeisterten. Jeder erzählte von seinen Erlebnissen und führte Kunststücke vor. „Der Zirkus scheint, sich ja jetzt hier zu befinden“, sagte er und schlürfte seinen Tee. Das Teeglas färbte sich etwas orange-rötlich und da fragte der Teemeister: „Gibt es einen schöneren Sonnenuntergang als in der Wüste?“ Der Jongleur bemerkte mit seinen guten Augen, wie die des Teemeisters heller wurden, und fragte ihn, was mit seinen Augen sei. „Ach“, sagte der Teemeister, „ich habe nachts immer ins Feuer geschaut, weil ich im Dunkeln nach Kontrast suchte. Vielleicht sind meine Augen dadurch nachts heller und tags, wo ich sie ungern öffnete, dunkler.“ Aus dem Sand nahm er zwei große Stöcke mit Stoff an ihren Enden und sagte: „Wenn das hier der Zirkus ist, sollten wir das feiern!“ Er zündete die Stoffenden am Feuer unter dem Tee an, pustete gegen sie und große Flammen quillten plötzlich auf. Die Pantomime sprang vor Schreck aufs Kamel, das auch zurückschreckte und sie auf den Clown fallen ließ, der sich hinter dem Kamel versteckt hatte. Akiva winkte die Pantomime zurück und rief: „In der Kälte geht es doch schnell aus.“ Er fragte den Beduinen in roter Tracht: „Würde dein Feuer tagsüber nicht länger brennen?“ „Bei Tag?“, fragte der Teen und spuckte ein Feuer in ein zweites Feuer. Beide gingen sofort aus und das zweite Feuer hatte Akiva in dem ersten gar nicht sehen können. Akiva erinnerte sich an seine Worte über den Tee und Gleichheit. Der Teemeister spuckte ein paar Restflammen auf den Sand, welcher neue schwarze Flecken auf seine Kleidung zurückwarf. Akiva runzelte seine Stirn, weil diese Flammen die Sternschnuppen gewesen sein mussten. Ihre wahre Größe und Form hatte Akiva nur in der Dunkelheit sehen können. War dieser Teemeister der Feuerspucker, der seit gestern Abend ein Publikum gefunden hatte? In diesem Moment war er der Zirkus. „Vielleicht braucht die Wüste Kontraste“, sprach Akiva zum Clown. Dieser zuckte mit den Schultern. „Alles ist Sand, alles eine Farbe, wo nah und fern verschmelzen“, sprach der Feuerspucker rätselhaft. „Ohne Kontrast. Man kann keinen Punkt festmachen.“ Der Seiltänzer horchte auf: „Ist doch schön, losgelöst ohne festen Punkt.“ „Schminke hilft!“, grinste der Clown. „Wenn in der Wüste alle Linien miteinander verschwimmen, bleibt ein unbeschriebenes Blatt, das ich bemalen kann. Nur bemalt in Abgrenzung zur Umwelt gibt es mich“, fügte er hinzu und malte sich Sternschnuppen auf beide Wangen. Der Feuerspucker sah dies spuckte vor ihren Gesichtern kleine Feuerfunken, die niemand von den Sternen am Himmel unterscheiden konnte. Vielleicht gab es diese Verschmelzung von nah und fern. Oder vielleicht war die Wüste der einzige Ort, wo nah und fern ihre Plätze tauschen konnten, dachte sich Akiva beim Anblick der Funken vor seinen Augen.

© thewrittenunwritten 2024-08-29

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich, Hoffnungsvoll, Inspirierend, Mysteriös, Reflektierend