Kontrollverlust

Gabriele Leeb

von Gabriele Leeb

Story
Waldviertel 2025

In deiner Nähe schlägt mein Herz schneller und ich habe mich nicht mehr unter Kontrolle.

Ich sprudle Worte aus meinem Mund heraus, die ich mir sonst nie trauen würde, auszusprechen. Doch sie kommen einfach so. Schnell und überschäumend. Ich kann sie nicht mehr zurücknehmen und du hast sie außerdem schon gehört. Du bist perplex und kennst dich einfach nicht aus.

Wenn du so nah neben mir stehst, dann weiß ich nicht, was ich fühlen und denken soll. Alles ist ein großes Durcheinander und Emotionen stürzen auf mich ein, die ich schon so lange nicht mehr gespürt habe. Sie nehmen mir meinen Atem und meine Gelassenheit. Ich sollte handeln, doch ich bin irgendwie starr und unfähig dazu. Du bist so heiß und so ganz anders. Mein Gott, ich bin ein gestandener Mann und kein Teenager. Was ist bloß los mit mir? Meine Hände sind kalt und mein Kopf brennt. Was rede ich eigentlich? Bin ich nun total bescheuert? Du musst mich für einen Trottel halten. Habe ich wirklich gerade zu dir gesagt, dass ich gerne auf Kaffee und Kuchen bei dir vorbeischauen würde, obwohl mir wahrscheinlich mein Herz in die Hose rutschen wird? Ich mache dir wieder Versprechungen, die ich vermutlich nicht halten werde? Warum tue ich das? Natürlich würde ich es gerne, jedoch fehlt mir irgendwie der Mut dazu. Mit dir alleine zu Hause? Da bin ich verloren. Wehrlos. So viele Gedanken, Vorstellungen und Fantasien schwirren durch meinen Kopf.

In meinem ganzen Gefühlschaos umarme ich dich. Keine gute Idee. Ich rieche dich, meine Nase öffnet sich, saugt deinen Duft ein. Neuerlicher Kontrollverlust. Ich küsse dich ganz schnell auf deinen Mund. Vanillearoma klebt auf meinen Lippen und verfolgt mich. Ich will eintauchen in deine Weiblichkeit. Ich lasse dich nicht los, ich kann nicht, will nicht. Ich streiche dir sanft über deinen Rücken und meine Libido gerät in Aufruhr.

Ich reiße mich los und flüchte ins Nebenzimmer. Ich muss mich sammeln, meine Fassung wiedergewinnen. Warum schreite ich nicht endlich zur Tat? Ablenkung. Ich lenke mich mit Arbeit ab bis spät in die Nacht, damit ich vor Erschöpfung und Müdigkeit nicht mehr denken kann und nur mehr ins Bett krieche. Doch noch immer spüre ich deinen Geruch, der so fest an mir haftet und irgendwann falle ich in einen unruhigen Schlaf.

In ein paar Wochen werde ich dich wiedersehen und ich muss dann eine Entscheidung treffen, sonst verliere ich meinen Seelenfrieden und endgültig meine Kontrolle.


Foto: Pinterest/Jennifer Hoffmann

© Gabriele Leeb 2025-05-31

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich, Herausfordernd, Emotional