von Beatrice Hirsch
Mit pochendem Herzen und Rollkoffer stehe ich mitten in der Nacht und mutterseelenallein um halb 3 am Gleis. Vor mir rauscht der blau gelbe Metronom ein, der mich zum Flughafen bringen soll. Wohin, weiß ich selbst noch nicht so genau. Fest steht nur: Irgendwie über Spanien nach Marokko!
Nach meinen letzten 4 Reisen bin ich mittlerweile etwas mutiger geworden in der Zielauswahl; immerhin habe ich es geschafft mich von der Nordseeküste über Italien bis nach Marokko vorzutasten. Wobei auch die Deutschlandreise schon echt gewagt für mich war. Ich hatte damals starke Magersucht und war mit meiner körperlichen Verfassung eigentlich eher tot als lebendig. Doch nachdem mich ein Geistesblitz auf der Toilette getroffen hatte, bin ich einfach losgereist. Immer wieder. Und irgendwie haben mir die bisherigen Reisen auf wundersame Art und Weise gut getan. Mit jeder Reise kam ein Stück meiner Gesundheit zu mir zurück.
Nun also nach Marokko. Heilige Scheiße; Ich – eingedeutschte Europareisende – machte mich auf einen Kulturschock gefasst.
Den Flieger bekommen, in Sevilla ausgestiegen, im Hostel eingecheckt, mache ich mich heulend für die erste Nacht fertig. Mein Lieblingskuscheltier, Mausi die Maus, hatte ich vor meiner ersten Erkundungstour durch die Stadt auf meinem Hostelbett drapiert. Dort würde sie sicher den Platz freihalten vor anderen schlafwütigen Gästen! Doch als ich zurückkam, lag da nicht Mausi, sondern eine blonde, hagere Frau in meinem Bett!
“Oh no, where is my mouse?” fragte ich in gebrochenem Englisch. Ich bekam keine Antwort, sie schlief anscheinend schon.
Mittlerweile war es 23 Uhr geworden und ich fand mich mit dem Kopf voran in einem Wäscheberg wühlend in der Abstellkammer des Hostels wieder. Ich hatte die Hostelmitarbeiter angefleht, ihren Müll und die Wäsche durchsuchen zu dürfen, was sie stirnrunzelnd bereitwillig entgegengenommen haben. Aber egal, für Mausi würde ich sogar mein letztes Hemd geben! Seit der Geburt hatte ich sie schon, da werde ich sie ja wohl jetzt – 20 Jahre später – nicht so würdelos in einem Hostelmülleimer verrecken lassen. Also ran an die Wäsche! Äh.. die Bettlaken.
Doch zwei Stunden später stand ich mit leeren Händen wieder im Hostelzimmer. Dies würde die erste Nacht meines Lebens ohne mein geliebtes Kuscheltier werden. Mausi hatte ihren letzten Frieden wahrscheinlich im heimischen Mülleimer der Putzfrau gefunden.
© Beatrice Hirsch 2021-01-18