Korn schneiden

Ludwig Schöllenberger

von Ludwig Schöllenberger

Story

Unsere Eltern hatten mehr als genug zu tun. Aber weil die Bauern aus Rum und Arzl wussten, wie gut die beiden Korn schneiden konnten, wurden sie im Sommer öfter für diese Arbeit geholt. Besonders unser Tati war ein Spezialist für diese Arbeit, kam er doch von einem Körndlbauern aus Oberösterreich.

Damals wurde alles noch mit der Sichel geschnitten. Die Kunst bestand darin, mit der linken Hand so viele Halme zu fassen, dass schon zwei Hände voll für eine Garbe reichten. Dazu kam noch das Herstellen der Bänder. Die Roggenhalme waren lang genug, aber Halme von Weizen und Gerste waren zu kurz und mussten verlängert werden. Eine Handvoll Halme wurde unterhalb der Ähren stark eingedreht und nach unten gebogen, dann der Länge nach geteilt und auf die Erde gelegt. So verlängert reichte es, die Garben zu binden.

Nun kam das „Mandl“-Machen. Auch das war eine eigene Kunst. Alle Garben wurden in Zehnerhaufen abgelegt und warteten auf das „Mandlmachen“. Neun Garben wurden mit den Ähren nach oben zusammengestellt, die zehnte Garbe legte Vater über seinen linken Arm und drückte die Halme mit den Ähren nach unten. So entstand ein breiter Hut, der auf das Mandl schützend und zusammenhaltend draufgesteckt wurde.

Wir Kinder waren helfend auch dabei, in kurzen Hosen und nackten Beinen. Die vom Boden aufstehenden Halme stachen uns so manchen kleinen Splitter in die nackten Wadl. Am nächsten Tag waren die Splitter in einer Eiterkugel und leicht zu sehen und auszudrücken. Unser Vater war sehr genügsam, ein paar Schluck Wasser reichten ihm als Durstlöscher. Höchstens ein- oder zweimal mussten wir im Krug offenes Bier vom Wirt im Schießstand holen.

Dann war wieder einmal Zeit zum „Türkenhäufeln“. Diesmal verwendeten wir nicht unseren Pflug, sondern holten uns vom Bauern Geiger im Schießstand den eisernen mit Leitrad. Leider war er viel schwerer zu ziehen.

Am nächsten Tag durfte ich den Pflug zurückbringen. Mit Ach und Krach zog und schob ich das schwere Trumm zum Bauern und lehnte es an die Hauswand. In kurzer Hose und Ruderleiberl ging ich die kleine Vorhausstiege hinauf, um Meldung zu machen und zu danken. Womit ich nicht gerechnet hatte – vor der Haustüre lag ein Schäferhund. Wie mir schien, nahm er von mir keine Notiz, auch die Leute im Hausinneren hörten mein Klopfen nicht. Kaum drehte ich mich um, um die Treppe hinunterzugehen, stand der Schäferhund neben meinen nackten Beinen, fletschte die Zähne und ließ ein böses Knurren hören. Beim nächsten Versuch loszugehen hatte er das Maul schon weit offen und an meinem Wadl angesetzt. Mir blieb nichts anderes übrig, als um Hilfe zu rufen. Endlich kam der Bauer ums Eck und rief „Brav!“. Schon lag der Schäferhund wieder ruhig auf dem Boden, als ob nichts geschehen wäre. Seither weiß ich, was ein gut abgerichteter Haushund ist.

Foto: Jamie Street on Unsplash

© Ludwig Schöllenberger 2020-08-19

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