Kornblumen und roter Mohn

Elisabeth-Christine Kayser

von Elisabeth-Christine Kayser

Story

Sollte eines Tages die Zeit reif sein und ich bin es dementsprechend auch, dann wird sich zeigen, ob ich meinen lang gehegten und geheimen Plan wahr mache, nämlich zu schreiben. Der Gedanke an Kornblumen und roten Mohn sollte mich immer begleiten und nicht nur das. Gerne erinnere ich mich an unseren Schulweg. Immer, wenn ich ihn entlang lief, redete ich mir in dem Moment ein, dass ein Film abläuft und gleichzeitig ein lebendiges Buch seinen Ablauf schreibt. Der Weg zur Schule war vier Kilometer zu laufen. Einmal hin und einmal zurück verging eine lange Zeit. Dort, wo wir wohnten, gab es noch keine Straßen, keine befestigten Wege, einfach nichts. Nur unsere Füße trugen uns. Wir waren mittlerweile mehrere Geschwister. Der Jahreszeit entsprechend, besaßen wir nur jeweils ein Paar Schuhe. Meistens trugen wir Gummistiefel und Rosshaarsocken. Die Stiefel waren wirklich nötig, bei Regengüssen auf unserem Sandweg füllten sich die Löcher sehr tief. Pfützen waren wie kleine Seen. Oft liefen wir im Sommer barfuß durch. Wind, Sonne, Regen, Sturm, Hagel und viel Schnee waren unsere Begleiter, doch nicht nur das. Herrlich blauer Himmel, Schäfchenwolken und viel Natur, der Geruch von fruchtbarer Erde, von Wildblumen und Gräsern entging uns nicht.

Im Frühling, wenn es überall grünte und blühte, bewunderten wir die Blüten der wilden Kirschbäume, die der Apfelbäume und der Birnbäume. Eine Vielzahl von Sträuchern und Büschen wuchs. Insekten summten umher und unzählige Schmetterlinge flatterten umher. Libellen und Käfer flogen über uns hinweg. Betörend einmalig umfing uns der Duft der Natur, was wir wohlwollend wahrnahmen.

Ringsum waren Felder, Wiesen, angrenzende Wälder. Wir sahen Gruppen von Feldhasen hoppeln und wie sie sich saftig Grünes einverleibten. Rehe, Hirsche, beim Grasen, sprangen umher. Wildschweine bemerkten wir, ab und zu einen Fuchs, Frösche, Schlangen, Salamander, Spinnen in filigranen Netzen. Kühe begrüßten uns. Bussarde und andere Wildvögel, deren Stimmen ließen aufhorchen und aufblicken. Wind raunte durch die Lüfte, Wolken wurden getrieben. Die junge Saat wuchs bald heran. Es gab immer Interessantes zu sehen. Die Natur mit ihren Jahreszeiten und deren Geschenke nahmen wir mit allen Sinnen wahr. Wogende Rapsfelder leuchteten sonnengelb vor uns her, so weit das Auge reichte. Später die goldenen Getreidefelder, dazwischen roter Mohn und viele Kornblumen, deren Blau unverkennbar war. Wir naschten unterwegs von den Früchten, die sich jeweils boten. Es gab Maiskolben, wir aßen Brombeeren, Himbeeren, Walderdbeeren, Bucheckernkerne, Kirschen, Äpfel, Sauerdampfer, Weißdorn. Saure Schlehen, die im Mund alles zusammen zogen, auch diese ließen wir nicht aus. Sobald wir nach der Schule zu Hause ankamen, warfen wir Älteren erst einmal unser Schulzeug hin und holten unsere Geschwister aus dem Kindergarten und der Kindergrippe ab. Je nachdem ging es wieder raus in unsere Natur, an den See und in den Wald.

© Elisabeth-Christine Kayser 2021-05-01

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