Körperverletzung I

Fay Linda Jussel

von Fay Linda Jussel

Story

Es fing mit einer Party an, es endete mit einem RSA-Brief.

Hast du gewusst, dass eine Vergewaltigung laut Paragraf Blabla keine Körperverletzung in Österreich ist? Ich auch nicht. Ich durfte das aber selbst herausfinden. Andere finden sich selbst, ich finde Rechtssprechung.

Es fing so an: Ich war auf dieser Studentenheimparty im 9. Bezirk, zu jedem Seidl gabs einen Tequila gratis dazu. Mein Tod haha. Irgendwann nach einer GedĂ€chtnislĂŒcke war ich in meiner alten WG und wollte dort weg. Sie hatten mir die NĂ€gel mehr schlecht als recht rot lackiert, eigentlich die ganzen HĂ€nde, und mir Dinge ins Tshirt gesteckt – sie waren auch betrunken. Im Endeffekt waren sie noch vernĂŒnftiger als ich, denn sie wussten, dass ich viel zu betrunken war, um nach Hause zu fahren, deswegen sperrten sie mich ins Badezimmer. Ich wollte aber nach Hause. Also wartete ich, bis sie stiller wurden und dann schlich ich mich raus.

GedĂ€chtnislĂŒcke.

Reumannplatz. Warten auf die Nightline. Ungeduld. Kalt. Es war November. Ich war zu Ă€ngstlich, um alleine nach Hause zu gehen. Es wĂ€ren nur 4 Strassenbahnstationen gewesen, aber der 10. Bezirk ist der 10. Bezirk und ich bin eine kleine Frau ohne Ninjaskills. Ein Typ kommt her und redet mit mir, ich frag ihn, wo er hin muss und er muss auch in den 11. Bezirk. Nett, er begleitet mich. Auch er ist sicher: Mitten in der Nacht alleine hier herumzuwandern wĂ€re viel zu gefĂ€hrlich. Ich mach gleich klar, ich hab nen Freund, mit dem ich zusammen wohne und ich will sicher nix von ihm. Aber als wir zur AutobahnbrĂŒcke kommen, da wo sich der 10. Wiener Gemeindebezirk und der 11. Wiener Gemeindebezirk gute Nacht sagen, da will er nicht am richtigen Weg weiter gehen. Er will da drunter durch, obwohl da geht es nicht nach Simmering
 da geht es nur zum Böhmischen Prater. Bevor ich mich artikulieren kann (ich bin noch immer sehr betrunken), liege ich unter dieser AutobahnbrĂŒcke mit heruntergerissener Hose und er will ihn mir reinstecken. Ich habe ein O.B. da drin, denke ich mir noch und wehre mich. Die Autos fahren ĂŒber uns, sonst ist es Menschenleer. Niemand ist da, niemand wĂŒrde mich hören, die Autos sind laut. Ich schreie aber trotzdem, aber da legt er seinen Unterarm auf meinen Hals. Ich bekomme keine Luft. Abrupt höre ich auf zu schreien und er lockert seinen Arm, lĂ€sst ihn aber dort. Ich suche Blickkontakt und als ich ihn habe, frage ich ihn: Macht dir das Spaß? Mir nicht. Er springt auf und lĂ€uft davon. Mein Handy ist voller Erde, ich rufe automatisch die Polizei. Keine Sekunde habe ich darĂŒber nachgedacht. Ich ziehe mich an und geh wieder Richtung Straße, in der der Polizeiwagen schon auf mich zufĂ€hrt. Den Polizisten ist die Situation unangenehm. Mir auch. Niemand redet.Ich werde verhört, stundenlang, es dĂ€mmert. Alles muss ich ganz genau erzĂ€hlen. Immer und immer wieder. FingerabdrĂŒcke gebe ich ab.

© Fay Linda Jussel 2021-02-15

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