In den 1960er Jahren war Schokolade noch etwas Besonderes. Deshalb freute ich mich immer sehr auf den Advent. Meine Mama hat gute Kekse gebacken und bei uns zu Hause wurde auch am Krampustag ein geselliges Familienfest veranstaltet. In den Tagen zuvor hatte meine Oma, uns Enkelkindern immer schaurige Geschichten von der wilden Jagd und den Krampus erzählt. Mit Spannung haben wir Kinder den Abend des 5. Dezembers erwartet. Brav saßen wir um den Tisch und sangen Weihnachtslieder. Doch auf einmal hörten wir schon das Rasseln der Glocken und je näher es kam, desto mehr suchten wir Schutz bei den Eltern. Mit lautem Getöse stürmten die stinkenden Gesellen in die Stube und Gott sei Dank kam zugleich der Nikolaus und hielt die wilde Bande in Zaum. Jetzt durfte jedes Kind, wenn es aufgerufen wurde und die „Sünden“ im golden Buch vorgelesen waren, zum Nikolaus hervortreten und ein Sackerl abholen. Wenn die „Sünden“ gar arg waren, wie bei meinen Cousins, dann gab`s schon mal einen Hieb mit der Rute vom Krampus. Mit einem „Danke lieber Nikolaus“ nahm ich mein Sackerl in Empfang und hoffte doch insgeheim, dass nicht ein Nikolaus und Krampus aus Lebkuchen im Sackerl drinnen sind, sondern die Gesellen aus Schokolade im schönen glänzenden Papier. Ich hatte auch dieses Jahr Glück, solche Schokoladengesellen in prächtigem Glanzpapier zu erhalten.
Zuhause wurde zuerst der Krampus ausgepackt und verspeist. Diesen grausigen Gesellen wollte ich nicht lange in meinem Zimmer haben, wer weis, ob der nicht doch irgendwie lebendig wird und sein Unwesen treibt. Der heilige Nikolaus wurde aber sorgfältig auf mein Nachtkästchen gestellt und ich nahm mir fest vor ihn zumindest bis Weihnachten nur zu betrachten – er war ja auch so schön rot mit einer goldenen Mütze – ein stattlicher Bischof halt. Aber länger wie ein paar Tage vor Weihnachten überlebte auch der schöne Heilige nicht bei mir.
Ich hatte mir aber eine Strategie ausgedacht, um ihn nicht gar zu sehr zu verärgern, damit er das nächste Jahr doch wieder kommen wird. Das schöne Glanzpapier wickelte ich sehr sorgfältig von der Schokolade und mit einem Tuch strich ich das Papier auf dem Küchentisch schön glatt. Später habe ich die Technik verfeinert und das Papier gebügelt. Jetzt nahm ich etwas Watte und wickelte das Glanzpapier schön rundherum. So sah der Nikolaus wieder wie neu aus und ich stellte ihn wieder auf mein Nachtkästchen, wo er dann auch bis zu Lichtmess stehen bleiben durfte.
© Heidemarie Leitner 2019-04-12