Krankenschwester mit Leib und Seele

Isabella Maria Kern

von Isabella Maria Kern

Story

Im Alter von sechs Jahren wusste ich schon, dass keine meiner beiden Schwestern das Elektrounternehmen meiner Eltern übernehmen wollte, und weil ich ein braves „Papa-Mädi“ war, erzählte ich stolz jedem, der es hören wollte, dass ich einmal die Nachfolgerin vom Papa werden würde.

Was zur Folge hatte, dass mich nie jemand fragte, was ich eigentlich wirklich wollte, was ich wiederum niemanden zum Vorwurf machen kann. Also ging ich brav in die Handelsakademie und machte am Kolleg für Elektrotechnik in Wien meine zweite Matura.

Schon bald merkte ich, dass meine soziale Ader sich nicht vorteilhaft auf das harte Geschäftsleben auswirkte und ich hatte immer öfter Magenschmerzen, wenn ich im Büro saß.

Das Schicksal (oder mangelhafte Verhütung) schickten mir bald meinen ersten Sohn und ich arbeitete nur mehr stundenweise im Geschäft mit.

Nach drei Söhnen und einen gescheiterten Ehe hatte ich endlich den Mut, meinen Eltern zu sagen, dass ich nichts als Geschäftsfrau taugte und begann mit 34 Jahren die Ausbildung zur Krankenschwester.

Ich liebte diesen Beruf. Ich diplomierte mit Auszeichnung, weil ich alle Informationen über die Anatomie, Physiologie, Pathologie und die Pflege der Patienten wie ein Schwamm in mich aufsog. Ich war motiviert, begeistert, sozial gefordert. Ich liebte die Patienten, oder knappe hundert Prozent von ihnen….

Es machte mir nichts aus um fünf Uhr Früh aufzustehen und 60 km in die Arbeit zu fahren. Abends kam ich müde, aber meist zufrieden nach Hause.

Ich freute mich täglich auf die neuen Herausforderungen. Das Team war ein Haufen unterschiedlicher Charaktere, die sich ausgezeichnet ergänzten. Wir hatten Spaß mit den Patienten, den Ärzten und miteinander. Wir halfen und unterstützen uns gegenseitig.

Ich will hier nichts schön zeichnen, denn natürlich gingen viele Dienste auch an unsere Grenzen, an psychische und physische Grenzen. An manchen Tagen kamen wir fast 12 Stunden lang nicht zum Pause machen, aber es gab auch Tage, wo wir es etwas gemütlicher hatten.

Mich faszinierte die menschliche Vielfalt, die unterschiedlichen Persönlichkeiten, die ich in Situationen kennen lernte, in denen sie sich abhängig und ausgeliefert fühlten. Ich ließ mich auf sie ein und merkte schnell, dass Linderung dort entstand, wo man sich Zeit nahm und dem Patienten „ein Ohr schenkte“. Wertschätzendes Zuhören, nannte ich es und freute mich, wenn ich Erleichterung schenken konnte.

Die Welt dreht sich weiter und mit ihr die Veränderungen.

Ende 2017 habe ich meinen Beruf schweren Herzens an den Nagel gehängt und trauere der Zeit nach, in der der Patient im Mittelpunkt stand.

Viele „Schwestern“ haben aus diesem Grund schon aufgegeben und nehmen traurig zur Kenntnis, dass die Dokumentation und der Computer das Menschliche und den Hausverstand abgelöst haben…

Fortschritt, ja – aber zu jedem Preis?

Pflegenotstand hausgemacht?

Was sollte wieder anders werden?

Schreibt mir!

© Isabella Maria Kern 2019-12-21

Hashtags