Krasser Liebesbeweis

Nami

von Nami

Story
Shibuya 2010

„Hitotsu, hitotsu, futatsu, kudasai!“, sage ich und zeige jeweils auf die entsprechenden Essensbilder auf der Speisekarte. Der Kellner wiederholt meine Bestellung auf japanisch, bedankt sich am Ende mit „Arigatƍ gozaimasu“ und verschwindet wieder. Ich sitze gerade entspannt mit zwei meiner Kolleginnen, die hier ebenfalls ein Praktikum absolvieren, nach Feierabend im Izakaya, eine japanische Bar, in Shibuya.
„Auf jeden Fall möchte ich zu einem japanischen Friseur und meine Haare fĂ€rben“, sagt Hannah, die mir gegenĂŒber sitzt. „Und wie dunkel soll es werden?“, frage ich. „Nur ein oder zwei Töne dunkler, bei blonden Haaren ist der Kontrast sonst zu groß“, antwortet sie mir. „Ich könnte mir bei dir auch ein paar hellere StrĂ€hnen zu deine schwarzen Haaren vorstellen“, wirft Malu ein, die neben mir sitzt. „Mh
“, sage ich. „Bin gar nicht so der Typ fĂŒr eine andere Farbe, eher lass ich mir einen Kurzhaarschnitt schneiden“, und hebe dabei meine schulterlangen Haare bis ĂŒber die Ohren. „Und? Was meint ihr?“ „Ne, lass sie lieber lang“, kam direkt zurĂŒck.
„Piep“ macht mein Handy. Ich klappe es auf. Eine Nachricht von Finn. „Schreibt dir dein Exfreund wieder?“, fragt Malu neugierig. „Ja, das tut er“, seufze ich. „Ist wohl gerade aufgewacht…mĂŒsste jetzt circa 12 Uhr mittags oder so in Deutschland sein.“ „Haha, ich bin gar nicht so der typische Student und bin spĂ€testens um 8 Uhr morgens wach“, lacht Hannah. „Hey, die 90 Minuten Essenszeit sind vorbei und ich hab Bock auf Karaoke“, sage ich. „Ja, voll. Betsu betsu und los“, ruft Hannah und gibt dem Kellner zu verstehen, dass wir die Rechnung teilen.
„You are my wonder wa-ha-hall“ tönt es aus den Boxen im Karaoke-zimmer. „NAMI….jetzt du!“ „Was?“ schreck ich auf. „Ach komm, starr doch nicht stĂ€ndig auf dein Handy“, meint Malu besorgt. „Jaja“, sage ich und klappe mein Handy wieder zu. „Was lenkt dich so ab?“, fragt Hannah. „Jetzt hat er mich zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen und schreibt gleichzeitig: ‚Du kommst ja eh nicht‘ “, sage ich genervt. „Wann ist die Party denn?“ „NĂ€chste Woche!“ „Ja ne, da hat er Recht. Dein Praktikum geht auch noch 2 Monate. Und warum machst du dir so einen Kopf um den Typen? Ihr ward vorher noch nicht mal ein Jahr zusammen“. „Ich weiß, aber…“.
Am Abend als ich wieder im social apartment, sprich in meiner 12,5 Quadratmeter Wohnung, war, geht mir die Einladung von Finn nicht aus dem Kopf. Wieso triggern mich seine Worte so? Was wĂ€re, wenn ich doch auf seiner Party auftauchen wĂŒrde?
Spaßeshalber prĂŒfe ich ein paar FlĂŒge. Wir sprechen hier von etwa 40 Stunden Reisezeit fĂŒr knapp 30 Stunden Aufenthalt. Und der Spaß kostet mal eben 1.250€. Mein Konto gibt gerade mal 800€ her und mein Praktikantengehalt abzĂŒglich Wohnung, Verpflegung und diversen AusflĂŒgen ergibt eine Nullbilanz. Dieser Trip wĂŒrde nur funktionieren, wenn ich in der verbliebenen Zeit hier in Japan nichts mehr unternehme. Dann könnte ich den Flug per Kreditkarte zahlen und hĂ€tte 2 Monate Zeit um das Geld anzusparen und zurĂŒckzuzahlen. Ganz schön knappe Sache und mit vielen EinschrĂ€nkungen fĂŒr die einmalige Zeit in Japan. Wer weiß, ob ich jemals wieder hierherkomme. „Ach komm, man lebt nur einmal!“ und ich klicke auf den „Buchen“-Button.


© Nami 2023-08-31

Genres
Romane & ErzÀhlungen
Stimmung
Abenteuerlich, Emotional, Unbeschwert, Reflektierend, Inspiring
Hashtags