von Nami
âHitotsu, hitotsu, futatsu, kudasai!â, sage ich und zeige jeweils auf die entsprechenden Essensbilder auf der Speisekarte. Der Kellner wiederholt meine Bestellung auf japanisch, bedankt sich am Ende mit âArigatĆ gozaimasuâ und verschwindet wieder. Ich sitze gerade entspannt mit zwei meiner Kolleginnen, die hier ebenfalls ein Praktikum absolvieren, nach Feierabend im Izakaya, eine japanische Bar, in Shibuya.
âAuf jeden Fall möchte ich zu einem japanischen Friseur und meine Haare fĂ€rbenâ, sagt Hannah, die mir gegenĂŒber sitzt. âUnd wie dunkel soll es werden?â, frage ich. âNur ein oder zwei Töne dunkler, bei blonden Haaren ist der Kontrast sonst zu groĂâ, antwortet sie mir. âIch könnte mir bei dir auch ein paar hellere StrĂ€hnen zu deine schwarzen Haaren vorstellenâ, wirft Malu ein, die neben mir sitzt. âMhâŠâ, sage ich. âBin gar nicht so der Typ fĂŒr eine andere Farbe, eher lass ich mir einen Kurzhaarschnitt schneidenâ, und hebe dabei meine schulterlangen Haare bis ĂŒber die Ohren. âUnd? Was meint ihr?â âNe, lass sie lieber langâ, kam direkt zurĂŒck.
âPiepâ macht mein Handy. Ich klappe es auf. Eine Nachricht von Finn. âSchreibt dir dein Exfreund wieder?â, fragt Malu neugierig. âJa, das tut erâ, seufze ich. âIst wohl gerade aufgewacht…mĂŒsste jetzt circa 12 Uhr mittags oder so in Deutschland sein.â âHaha, ich bin gar nicht so der typische Student und bin spĂ€testens um 8 Uhr morgens wachâ, lacht Hannah. âHey, die 90 Minuten Essenszeit sind vorbei und ich hab Bock auf Karaokeâ, sage ich. âJa, voll. Betsu betsu und losâ, ruft Hannah und gibt dem Kellner zu verstehen, dass wir die Rechnung teilen.
âYou are my wonder wa-ha-hallâ tönt es aus den Boxen im Karaoke-zimmer. âNAMI….jetzt du!â âWas?â schreck ich auf. âAch komm, starr doch nicht stĂ€ndig auf dein Handyâ, meint Malu besorgt. âJajaâ, sage ich und klappe mein Handy wieder zu. âWas lenkt dich so ab?â, fragt Hannah. âJetzt hat er mich zu seiner Geburtstagsfeier eingeladen und schreibt gleichzeitig: âDu kommst ja eh nichtâ â, sage ich genervt. âWann ist die Party denn?â âNĂ€chste Woche!â âJa ne, da hat er Recht. Dein Praktikum geht auch noch 2 Monate. Und warum machst du dir so einen Kopf um den Typen? Ihr ward vorher noch nicht mal ein Jahr zusammenâ. âIch weiĂ, aber…â.
Am Abend als ich wieder im social apartment, sprich in meiner 12,5 Quadratmeter Wohnung, war, geht mir die Einladung von Finn nicht aus dem Kopf. Wieso triggern mich seine Worte so? Was wĂ€re, wenn ich doch auf seiner Party auftauchen wĂŒrde?
SpaĂeshalber prĂŒfe ich ein paar FlĂŒge. Wir sprechen hier von etwa 40 Stunden Reisezeit fĂŒr knapp 30 Stunden Aufenthalt. Und der SpaĂ kostet mal eben 1.250âŹ. Mein Konto gibt gerade mal 800⏠her und mein Praktikantengehalt abzĂŒglich Wohnung, Verpflegung und diversen AusflĂŒgen ergibt eine Nullbilanz. Dieser Trip wĂŒrde nur funktionieren, wenn ich in der verbliebenen Zeit hier in Japan nichts mehr unternehme. Dann könnte ich den Flug per Kreditkarte zahlen und hĂ€tte 2 Monate Zeit um das Geld anzusparen und zurĂŒckzuzahlen. Ganz schön knappe Sache und mit vielen EinschrĂ€nkungen fĂŒr die einmalige Zeit in Japan. Wer weiĂ, ob ich jemals wieder hierherkomme. „Ach komm, man lebt nur einmal!“ und ich klicke auf den „Buchen“-Button.
© Nami 2023-08-31