Kraut-Fun-Ding

Anna Geier

von Anna Geier

Story

Früher waren es Beteiligungen anderer Art. Eigentlich habe ich solches schon öfter gemacht, ohne Geldeinsatz. Ich gab meine Arbeitskraft als Unterstützung, als Beteiligung an einer Sache, um ein Projekt am Leben zu erhalten, oder auszubauen.

Eh klar, da war ein Mann dahinter. Nein, er war davor. Es war das Projekt eines Seminarveranstalters, ohne Geld, der seine Idee umsetzen wollte. Ohne Geld keine Musik, daher habe ich mich eingebracht, weil er mein Teilzeitpartner war. Einen Teil der Arbeit hatte ich sofort übernommen. Putzen, kochen, Haushalt, während er den Start voranbringen wollte. Die Flyer, damals die Papierversion in vorsintflutlichen Zeiten, um Werbung und Ankündigungen aufzulegen, wurden händisch geschrieben oder mit der Schreibmaschine getippt. Dazu gab es Zeichnungen oder einfache Bilder und diese einfachen Gestaltungen wurden dann kopiert.

Hintermann brachte sich auf Vordermann, denn kreativ war er. Im Handumdrehen hatte er immer neue Ideen und tatsächlich kamen Interessenten, Klienten und solche die profitieren wollten, nahmen an Kursen und Treffen teil. Eine zeitlang war es bereichernd für mich, neue Leute kennenzulernen und an Übungen und Kursen teilzunehmen. Doch der Markt war brutal und hart und die Konkurrenz schlief nicht. Da grub einer dem anderen das Wasser ab und er blieb schließlich auf einer hohen Miete sitzen. Teilnehmer sprangen ab und so wurde es immer enger. Die 160m2 Jugendstilwohnung in der Nähe des Stadtzentrums war auch damals kein Schnäppchen. Neben seinen finanziellen Problemen kam er auf mich mit dem Wunsch auf höhere Beteiligung zu. Ich sollte ihn mitfinanzieren. Ab dem Zeitpunkt musste ich eine Grenze ziehen, denn ich sah das Schiff sinken. Die Schlagseite war schon sichtbar und spürbar.

Eines Tages kam er von einer Reise aus Marokko zurück, wo er anscheinend kräftig Selbstwert getankt hatte. Er lag zwar geschwächt von einem Durchfall im Bett und wollte mir ein schlechtes Gewissen machen. Ich müsse ihn doch in so einer Situation unterstützen und dürfe ihn nicht hängen lassen. Er rief mich tatsächlich in einem Zustand zu sich, um mir mitzuteilen, welch toller Hecht er sein und stellte sein Licht nicht unter den Scheffel, sondern obenauf. In seinem geschwächten Zustand wollte er noch einmal Stärke zeigen und mich daran erinnern, was mir an ihm verloren ginge. In diesem Moment musste ich mich abgrenzen, ansonsten hätte er mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Unüberwindbar waren die Hürden und Forderungen, die er an mich stellte.

Zum Abschluss meinte er, ich könne seine Größe und Schönheit einfach nicht erkennen und dadurch entginge mir wichtige Erfahrungen, die für meine Entwicklung und für mein Leben wichtig wären.

Die Bruchlinie war zu spüren und die finanzielle Beteiligung wollte ich auf keinen Fall eingehen. Da blieb mir nur mehr die Flucht übrig. Es war kein schönes Ende. Wenn ich jetzt nach 32 Jahren darauf zurückblicke, war es die richtige Entscheidung.

© Anna Geier 2021-01-12