Muttertier

Berit Glaser

von Berit Glaser

Story

Komm ich so gegen 3:00 Uhr früh nach Hause. Zur Mama, weil grad Innsbruck-Besuch. Schon von unten seh ich, es brennt Licht. In allen Fenstern. Eigenartig, sind meine Mama und ihr Mann nämlich die totalen Stromsparer-Nachhaltigkeits-Heldinnen. Auch liegen die vor Mitternacht im Bett, wenn sie nicht grad gar nicht schlafen, weil Nachtdienst. Jetzt der Stiefvater (das klingt mal noch böser als Stiefmutter – völlig unberechtigter Weise, will ich hier hinzufügen) heute nicht da und da tanzt die Mama-Maus direkt aufm Tisch, denk ich mir beim Raufgehen. Voll der Flashback, weil früher in meiner Jugendzeit – in meiner bleden – war ich die einzige Pfeife, die beim Heimkommen damit rechnen musste, egal zu welcher absurden Stunde, rotzfett in die eigene Mutter zu laufen. Das hab ich schon als persönlichen Affront empfunden damals. Ich mein, heimlich gesoffen und gekifft haben alle, bloß die „normalen“ Eltern haben geschlafen, wie sich das auch gehört. Wenn also die anderen nicht irgendwo hingespieben oder dagegengekracht, ganz gute Chance, unerkannt aus der Nummer rauszukommen. Am nächsten Tag den Kater irgendwie ins Leben integrieren, ohnehin ausreichend Herausforderung. Jetzt bei mir andere Geschichte. Acht von zehn mal, traf ich meine Mama bei Festbeleuchtung – manchmal sogar mit Musik – dabei an, wie sie das Bad putzt, bügelt, was einkocht oder sonstwie herumwerkelt. Das is ja nicht normal bitte! Ich muss vielleicht erwähnen, dass sie dabei immer völlig nüchtern war, was die Sache noch unfairerer gestaltet hat. Seit vielen Jahren spielen wir das schon nicht mehr so, wobei’s jetzt ja wurschter wär eigentlich – Erwachsenheit und alles.

Ein bissi unwohl is mir plötzlich doch, als ich die Türe aufsperre – ob da was nicht stimmt vielleicht? Auch auf dieser Seite der Wohnung alle Lichter an. Ich zieh meine Schuhe aus, da fällt mein Blick auf die Ablagefläche der Garderobe. Ich erschrecke. Das passt überhaupt nicht zusammen. Da liegen ein Klobesen und ein Krautkopf nebeneinander! Und obwohl beide frisch gekauft sind und noch nicht ihrem jeweiligen Zweck gedient haben, kann das nur bedeuten, dass meine Mama seit Stunden irgendwo bewusstlos am Boden liegt. Die Braut is in meiner Wahrnehmung nämlich die totale Wegräumerin. Da liegt nie irgendwas irgendwo rum, wo’s nicht hingehört. Und dass weder Kraut noch Klobesen – vor allem aber in Kombination – im Vorzimmer irgendwas verloren haben, ist selbst mir sofort sonnenklar. Ich haste durch den hell erleuchteten Gang, werfe einen Blick ins lichtdurchflutete Bad und die Küche, dann weiter ins Wohnzimmer. Keine Mama weit und breit. Die Tür zum Arbeitszimmer ist angelehnt. Ich öffne sie ohne zu zögern und werde endlich fündig. Da sitzt es, mein Mämchen, schaut auf, nickt mir freundlich zu und antwortet auf meine Frage, was denn da bitte los ist???, sehr sachlich und ein bissl als würde sie mit wem reden, der halt nicht ganz auf der Höhe ist: „Ich mach nur noch meine Überweisungen fertig.“

Dann is ja gut.



© Berit Glaser 2020-09-21

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