Kreatives Chaos

rebella-maria-biebel

von rebella-maria-biebel

Story

Mein Lieb klopft oben an einem speziellen Trommelrahmen in Wellenform. Seit seinem Leistenbruch darf er nichts Schweres heben, drum hat er jetzt Zeit fĂĽr diverse Spielereien. Vor ein paar Tagen hat er mir eine entzĂĽckende Tomatenvilla gebaut, und bis zu seiner Operation könnt er noch einen Pfeifenständer und ein Hendlgehege basteln. Falls die HĂĽhnereier im Brutautomaten befruchtet sind, gibt’s dann bald flauschige, gelbe KĂĽken. Immer hat er irgendwelche Ăśberraschungen im Hinterkopf, die er jetzt im Krankenstand verwirklichen kann. Und ich steh da und staune ĂĽber seine Kreativität. FĂĽr ihn ist es selbstverständlich.

Heute findet hier ein besonderes Kreativmeeting statt, eine action jagt die andere. Sandra ist seit ihrem Auszug aus ihrer Tiroler Heimat beinah zum Familienmitglied geworden. Sie ist eine Art Tausendsassa, arbeitet an Pferdefellen und Trommeln und bringt nebenbei meinen Garten in Höchstform. Pflanzt Kräuter, von denen ich noch nie gehört hab und vermittelt mir eine hohe Kompetenz. Jedenfalls hat sie Freude daran, hier ein Stückchen Erde bebauen zu können, und mir tut es gut ihr zuzusehen und einen schönen Garten zu haben. Ich staune über ihre grosse Kreativität.

Nun kam heut frĂĽh nicht nur Sandra, um hier kreativ zu werken, sie brachte auch Angelika und Christian mit. Mit Angelika hat sie jetzt drei hĂĽbsche Lederrasseln gebaut, die werden grad oben beim Kraftplatz eingeweiht. Schamanische Rituale, die mir einmal vertraut waren, heute staune ich darĂĽber.

Christian hat sich zum Lagerfeuerplatz gesetzt, auch er nicht untätig. Er schnitzt an einem Maipfeiferl. Ganz versunken in sein Tun, während seine Frau ihre Rasseln gebaut hat, sehe ich ihm zu und staune.

Wo ist meine Kreativität? Was ist meine Rolle in diesem kreativen Chaos? Ich bekoche unsere Gäste, höre ihnen zu, bin einfach da. Meine einzigen Schöpfungsakte sind die bemalten Schneestecken, die unser Dorf schmücken. Ich mag sie, war eine nette Idee, aber in mir brennt kein ewiges kreatives Feuer. Es ist ja wirklich kein Kunstwerk, dass ich fünffärbige Zehennägel trage. Oder dass ich bunte Blumen für die Vasen pflücke. Eigentlich bin ich eine fade Person, nicht einmal als Muse seh ich mich. Mein einziger Beitrag in der Richtung ist es, zu schreiben.

Ich muss wohl andere Potentiale in mir haben, denn ich fĂĽhle mich absolut als dazugehörig. Ist es eine ebenbĂĽrtige Rolle, Teil vom Chaos zu sein? All die liebenswerten Chaoten, – mein Lieb inclusive -, sein zu lassen, meine Arme fĂĽr sie zu öffnen und meine Freude mit ihnen zu teilen? DarĂĽber denk ich grad nach. Ein bisschen wehmĂĽtig ĂĽber mein Manko, und doch dankbar dafĂĽr, in diesem wunderbaren Chaos daheim zu sein…

© rebella-maria-biebel 2022-05-28

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