Kubas nackte Kanadier*innen

Gerhard Maier

von Gerhard Maier

Story

Prüde sind sie, die Kubaner. Sagte schon einst Baedeker, einer der ältesten, weitverbreiteten Reiseführer. Auch die neueren Reiseführer widmen sich dem Thema. Prüde seien sie, die Kubaner. Da haben sie so viele Strände, aber „oben ohne“ oder gar FKK ist nicht gerne gesehen, ja sogar verboten.

Was juckt mich die Prüderie der Kubaner, ich lasse heute ohnehin lieber die Badehose an. Solange ich die Bauchmuskeln noch etwas anspannen und im richtigen Moment die Luft im Brustkorb halten kann, habe ich die in mich gesetzten Erwartungen erfüllt. Das ist meine heutige Körperkultur, was brauche ich FKK.

Die Zeiten sind längst vorbei, wo ich geglaubt habe, dass mich ein makelloses Braun am ganzen Körper noch unwiderstehlicher machen würde. Seien wir uns doch ehrlich: FKK war schon in den 1970ern ein „alter Hut“, jedenfalls in Korsika. Die Franzosen waren uns da schon immer weit voraus. Aber was haben sie heute davon: Sonnenschäden.

Gottseidank muss man sich im prüden Kuba vor schamlosen, nackten Kubaner*innen nicht fürchten. Die tragen auch bekleidet ihre nackte Haut auf den Markt und sind dabei nicht wählerisch. Als Tourist*in bekommt man immer eine passende Begleitung ab, die einem jeden FKK-Strand vergessen lässt.

Schon am ersten Abend in Havanna, als ich spätabends durch die Stadt schlenderte, versuchten adrett aussehende Mädchen von ihren Brüdern an den Mann gebracht zu werden. Es war ihnen egal, dass ich in Begleitung von meiner Frau und deren Mutter war. Für die hätten sie ja auch etwas Schnuckeliges.

Immer wieder sieht man graumelierte Touristen in Begleitung von rassigen Mädchen, die ihre Enkelinnen sein könnten. Man sagt, es sind Bekanntschaften, die oft einen ganzen 14-tägigen Urlaub halten.

Den einzigen FKK-Strand Kubas gibt es auf Cayo Largo, einer Insel mit schönen Tauchgründen. Während wir uns Unterwasser schlau machten, erkundete Mutter den Strand und berichtete uns ihre Entdeckung mit Schamesröte. Wir sollten auf dem Weg zum Strand nicht links, sondern nur 10 Meter weit nach rechts gehen.

Der besagte Strandabschnitt erinnerte uns irgendwie an Robbenkolonien. Männchen und Weibchen, dicke, dünne, junge, alte, hunderte nackte Menschenkörper aalten sich zwischen Schirmchen am sonst schattenlosen Boden. Großteils rasierte, gut durchblutete Körperteile sahen aus wie frisch gepudert vom feinen Sand. „Mama, du musst ja nicht hinschauen!“ Die Nackten aber schienen die Blicke der vorbeischlendernden Karawanen zu genießen und räkelten sich umso schamloser.

Zurück am prüden Strandabschnitt klärte uns eine englische Kanadierin auf, dass die „Nackerpatzl“ französische Kanadier seien. So seien sie eben, die Franzosen, schamlos und lasziv. Da erinnerte ich mich an die Strände in Korsika.

Beim Rückflug mit der Propellermaschine nach Havanna konnte ich jetzt locker die französischen Kanadier ausmachen, die Schamlosen und Lasziven sind`s. So schnell entstehen Vorurteile.

© Gerhard Maier 2021-04-13

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