von Dorothee Bliem
Harmloser Titel, ich weiß. Und was für ein alltäglicher. Ich schreibe gerne über harmlose Alltagsgeschichten – vor allem, wenn sich dahinter ein bisschen Witz verbirgt. Hinter diesem Titel jedoch verbirgt sich nichts Harmloses, es folgt nun weder eine Schilderung unschuldiger Kaffekränzchen, noch geht es um die Feinheiten der lokalen Esskultur. Wobei man mit Kultur gar nicht so daneben liegt. Es geht um nichts harmloses, aber leider dennoch um etwas Alltägliches: um Rassismus.
Heute morgen, hinter der gelben Abstandslinie, beim Bäcker: vor mir ein Mann mittleren Alters, der sich nach dem Kuchensortiment erkundigt. Ich stehe zu weit weg, um den genauen Gesprächsverlauf mitzuverfolgen, bekomme aber genug davon mit, um zu entscheiden, dass der Mann – nett ausgedrückt – ein furchtbarer Trottel sein muss.
Der Verkäufer: ebenfalls männlich, wohl so Mitte 20, dem Aussehen nach zu urteilen mit ausländischen Wurzeln. Es fühlt sich falsch an, ihn dadurch zu charakterisieren, denn eigentlich sollte seine Herkunft nichts zur Sache tun. Der Kunde allerdings sieht das anders. Er ist nicht zufrieden über die Auskunft des Verkäufers, denn dieser grenze nicht akkurat genug zwischen dem „Kuchen“ und der „Torte“ ab. Es folgt ein belehrender Monolog über den Unterschied der beiden Köstlichkeiten. Der Verkäufer reagiert erst gelassen, doch der Kunde lässt seinem Zorn freien Lauf. Es fallen die Wörter „Migrationshintergrund“ und „kein gescheites Deutsch“ und dass man sich doch „gerade deswegen“ besser mit dieser Materie auseinandersetzen müsse.
Wir andere Kunden: starr vor Unglauben. Der Verkäufer: weiterhin ruhig. Er nimmt seine Maske ab und weist den Herren in perfektem Deutsch auf seine Unverschämtheit hin. Der Herr, der die Maskenpflicht übrigens von vorneherein nicht beachtet hatte, beschimpft den Verkäufer weiter und schließlich auch seine Kollegin, deren Deutschkenntnisse ihm ebenfalls nicht genügen. Andere Kunden in der Schlange mischen sich ein, doch ich beobachte die Situation einfach nur ungläubig. Meine Maske mit der Aufschrift: „I warmly smile under this mask“ erscheint mir in diesem Moment taktlos. Auch ich möchte mich einmischen, will dem Kunden verständlich machen, was für ein Trottel er ist, doch ich bin ratlos, wie. Ratlos, wie man sich in so einer Situation richtig verhält. Ich könnte ihn Rassist nennen, wie es andere tun, doch das würde seine Wut nur noch weiter schüren – und Wut bringt denke ich keine Erkenntnis. Trotzdem fühle ich mich schlecht, einfach nur dazustehen. Der Kunde verlässt zornig die Bäckerei, der Verkäufer wirkt relativ gefasst. Meine Ratlosigkeit geht in Verzweiflung über – wer von „uns Österreichern“ kennt den Unterschied bitteschön so genau?
Nun wünsche ihm nicht einmal etwas Schlechtes, sondern dass er einfach irgendwann erkennt, was für ein deppertes A-loch er ist. Wäre wohl besser für die Welt.
© Dorothee Bliem 2020-08-28